In einer Gesellschaft, die den Fokus meist auf das „Mehr“ legt, kann das bewusste Wahrnehmen und Wertschätzen des gegenwärtigen Moments ein fast revolutionärer Akt sein. Dankbarkeit spielt hierbei eine Schlüsselrolle: Wer sich regelmäßig bewusst macht, wofür er dankbar ist, verändert seine Perspektive und lernt, das Glück in den kleinen Dingen zu finden.
Vor rund zehn Jahren hat Patrick Kofler bewusst damit begonnen, sich vermehrt mit dem Innenleben des Menschen zu beschäftigen. Er hatte selbst gesundheitliche Krisen, litt unter einer Autoimmunerkankung, Depressionen, Panikattacken und Angstzuständen. „Irgendwann hatte ich das Gefühl, für mich keinen guten Ausweg mehr in der Schulmedizin zu finden, und habe begonnen, mich intensiv mit Meditation, Achtsamkeitstraining und buddhistischer Psychologie zu beschäftigen und mit Themen wie Biohacking und Breathwork“, erzählt er. Auch Ernährung und Bewegung spielen eine Rolle, Hormonlehre sowie Kälte- und Wärmeanwendungen. Und Mindsetarbeit. Was für manchen ein wenig esoterisch anmuten mag, ist heute großteils wissenschaftlich begleitet und belegt. Auch der Zusatz „buddhistisch“ klingt beim ersten Hören nach Religion und Spiritualität. Patrick Kofler indes geht es um die Inhalte. Er hat sich tief in die Materie eingearbeitet, sich weitergebildet und -entwickelt und daraus sein „Happy Souls“ in Zirl gegründet: „Diese Auseinandersetzung mit mir selbst hat mir sehr geholfen und es ergibt für mich ein rundes Bild, wenn ich meine Erfahrungen weitergeben und damit anderen Menschen helfen kann.“
Ursprünglich nur im Kleinen geplant, erreichen ihn heute zahlreiche Anfragen. Der Bedarf ist da: „Ich unterstützte Menschen in schwierigen Lebensphasen ebenso wie bei ihrer persönlichen Weiterentwicklung“, so Patrick. Das Ziel ist ein gesunder Umgang mit seinen Gedanken und Emotionen, das Schaffen von Selbstvertrauen, das Empfinden von Freude und Dankbarkeit und all dies nicht im Außen zu suchen, sondern es in sich selbst zu finden.
eco.nova: Du hast selbst eine leidvolle Geschichte hinter dir. Gibt es einen konkreten Punkt, den du festmachen kannst, ab wann und warum es dir schließlich besser ging? Patrick Kofler: Vor allem war es der gedankliche Shift von „Warum passiert mir das alles?“, also der Opferrolle, hin zu „Das alles passiert FÜR mich“. Herausforderungen im Leben sind unausweichlich und auch wenn in meinem Fall die Arbeit damit lange gedauert hat – ich war gute fünf Jahre damit beschäftigt –, so ist es immer auch eine Chance, sich zu entwickeln und daran zu wachsen. Die Phase des „Warum“ ist natürlich immer da und darf es auch sein. Zu mir kommen viele Menschen, die unter Depressionen oder Panikattacken leiden, die schwer belasten, und diese Attacken muss man nicht freudig willkommen heißen, doch es ist wichtig, sich nicht in diese Phase hineinfallen zu lassen, sondern eine Richtung einzuschlagen, darin eine Chance zu sehen, Dinge anders zu machen und zu lernen. So entwickelt sich eine völlig neue Wertschätzung dem Leben gegenüber.
Denkst du, es gibt rundum glückliche Menschen? Ich glaube, jeder hat auf seine Weise sein Päckchen zu tragen. Es gibt durchaus Menschen, die von Haus aus gute Strategien haben, um Stress, Krisen oder Herausforderungen zu meistern und deren Resilienz gut ausgeprägt ist. Aus meiner Erfahrung wird das jedoch immer schwieriger. Ich war selbst auf Reha und habe dort Menschen aller Schichten und Altersgruppen mit psychischen Problemen oder hormonellen Dysbalancen getroffen, die sich zum Beispiel in chronischer Migräne oder den verschiedensten Entzündungen äußern und damit zu körperlichen Symptomen werden. Viele versuchen zu Beginn, diese Symptome von sich wegzuschieben, und ignorieren sie. Krisen und Herausforderungen machen in erster Linie Angst, deshalb schaut man nicht gerne hin. Daher geht es auch ganz stark darum, zuerst überhaupt zu erkennen, dass man Hilfe und es eine Veränderung braucht. Beim Thema Achtsamkeit geht es letztlich nicht darum, jeden Tag eine Stunde auf der Matte zu meditieren, sondern sich selbst im Alltag zu beobachten: Was sind für mich gute Gedanken, welche sind mir weniger dienlich und diese loszulassen. Dem muss natürlich nicht erst eine Krankheit vorausgehen. Der Optimalfall ist, dass uns diese Arbeit vor tiefen Krisen bewahrt. Oft ist es jedoch so, dass wir erst vor einer Wand stehen müssen, bevor wir eine andere Richtung nehmen.
Woran machst du deine eigene Zufriedenheit fest?
Zufriedenheit entsteht nicht über Dinge, die im Außen passieren. Es gilt, eine innere Emotion zu erschaffen und diese so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Und ich habe festgestellt: Das ist am Anfang echt Arbeit. Doch es dauert gar nicht lange, bis Zufriedenheit und Dankbarkeit von allein kommen. Ich muss nicht mehr aktiv darüber nachdenken, für dies oder jenes dankbar zu sein. Mein System hat das quasi verinnerlicht. Auf diese Weise kann man auch lernen, seine Gedanken zu kontrollieren. Man muss sich stets bewusst machen: Man ist der Chef über seine Gedanken. Zum Thema Gedankenkontrolle gibt es mittlerweile zahlreiche Studien, die besagen, je öfter wir einen Gedanken denken, desto stärker manifestiert er sich. Viele kennen das von negativen Gedanken, das Ganze funktioniert jedoch auch in positiver Weise. Man sollte also versuchen, so viele gute Gedanken und erwünschte Situationen wie möglich in sein Leben zu ziehen. Unser Unterbewusstsein ist ein machtvolles Schwert – in die eine oder andere Richtung. Das klingt vielleicht etwas mystisch, doch auch zur Manifestationsarbeit gibt es zahlreiche wissenschaftliche Belege.
Warum wird das Thema der mentalen im Gegensatz zur physischen Gesundheit noch immer so stiefmütterlich behandelt?
Warum, weiß ich nicht, aber ich weiß, dass dieses Nichtvorhandensein der Anerkennung mentaler Gesundheit ein großer Fehler unserer Gesellschaft ist. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, dessen bin ich mir durchaus bewusst, das Problem ist, dass unser Stresssystem daran nicht angepasst ist. Unser Cortisollevel ist dauerhaft so hoch, als stünde den ganzen Tag ein Säbelzahntiger vor unserer Höhlentür. Das kann nicht gut gehen. Und doch fällt es vielen Menschen immer noch leichter, über körperliche Beschwerden zu reden als über mentale. Ein gebrochenes Bein ist auch für das Umfeld besser nachzuvollziehen, als wenn man über seine Depressionen, Panikattacken oder generalisierte Ängste spricht. Weil sich viele Betroffene damit anonym und alleingelassen fühlen, läuft dieses Thema vielfach noch unter dem Radar. Ich habe irgendwann begonnen, meine eigene Geschichte auf Social Media zu erzählen, und viel Zuspruch erfahren. Es gibt viele Menschen, denen es gleich geht. Man ist nicht allein.
Wie bist du selbst mit deiner Krankheit in deinem Umfeld umgegangen?
Ich habe das immer ganz offen vor mir hergetragen, meine Situation erklärt und gesagt, dass es mir schlecht geht. Das hat viele Leute irritiert. Mein Umfeld hat sich dadurch ein Stück verändert, vor allem auch deshalb, weil ich mich selber verändert habe. Ich habe gelernt, achtsam mit mir selbst zu sein. Das bringt auch mit sich, Menschen, von denen ich merke, dass sie mir nicht mehr guttun, liebevoll aus meinem Leben gehen zu lassen. Dafür kommen andere Menschen dazu, mit denen ich mich wohlfühle. Ich habe von vielen Freunden tolle Unterstützung erfahren, für die ich sehr dankbar bin. Andere Beziehungen haben sich aufgelöst. Ich glaube, über seine Probleme zu reden ist nicht die Allheillösung, aber der Beginn eines Weges und das Eingeständnis an sich selbst, dass man im Moment nicht leistungsfähig ist, es einem nicht gut geht oder einem gewisse Dinge Schwierigkeiten bereiten.
Die Frage „Wie geht es dir?“ ist die vermutlich am öftesten gestellte und am unehrlichsten beantwortete …
Ja. Die Leute sind meist überrascht, wenn man sagt, es gehe einem nicht gut. Im Grunde ist die Frage eher eine Floskel, als dass einen die Antwort wirklich interessiert. Das habe ich für mich verändern wollen, die Akzeptanz hält sich noch ein wenig in Grenzen.
Kommen aus deiner Erfahrung mentale Probleme überwiegend aus einer beruflichen Überforderung oder aus dem Privatbereich?
Es ist eine Mischung. Beim einen überwiegt der eine, beim anderen der andere Teil, doch es ist selten nur ein Bereich „schuld“. Das Grundproblem unserer Gesellschaft ist, dass wir überall 100 Prozent geben sollten. 100 Prozent bei der Arbeit, beim Sport, in der Familie. Unser Überlastungsfass wird immer mehr gefüllt und dann braucht es oft nur noch den einen kleinen Tropfen, der für sich allein genommen vielleicht eine Bagatelle ist, aber das Fass zum Überlaufen bringt. Die buddhistische Psychologie hat mich gelehrt, dass auch 80 Prozent total in Ordnung sind. So lässt man sich selbst einen Puffer für Unvorhergesehenes. Gerade in der Arbeitswelt ist das eine wichtige Erkenntnis.
Du bietest neben Kursen und Workshops zu unterschiedlichen Themen auch Einzel- und Firmencoachings an. Was sind die vorrangigen Inhalte bei Unternehmen?
Ich habe mittlerweile viele Firmenkunden und ich finde es schön, dass Führungskräften vermehrt klar wird, dass ihre Mitarbeiter*innen ihr höchstes Gut sind und man deshalb darauf achten sollte, dass diese gesund sind und bleiben. Die Inhalte sind unterschiedlich, meist geht es um Stressreduktion und im Zuge dessen um Breathwork. Es gibt bestimmte Atemtechniken, die unseren Cortisolspiegel rasch und effektiv reduzieren, wodurch man in stressigen Phasen schnell herunterfahren kann. Der Atem kann uns dabei helfen, fokussiert im Moment zu sein, und es gibt Techniken, mit denen man seine Leistung gezielt steigern kann – bei der Arbeit oder auch beim Sport. Ein großes Thema ist Biohacking, bei dem man mit kleineren oder größeren Lebensstilveränderungen die beste Version seiner selbst wird. Hier spielen Themen wie die Ernährung, gegebenenfalls Supplementgabe, wenn Defizite bestehen, oder Kälte- und Wärmeanwendungen eine Rolle. Das ist auch bei Firmen sehr gefragt. Gerade das Eisbaden ist ein tolles Erlebnis. Die Programme können individuell abgestimmt und gerne mit Sportprogrammen kombiniert werden.
Wie wichtig ist Sport für die Psyche?
Sehr. Sport sorgt für die Ausschüttung von Serotonin, Dopamin ist ein natürliches Antidepressivum. Doch auch beim Sport kommt es aufs Wie an. Krafttraining zum Beispiel ist super für die Psyche, weil es die Dopaminausschüttung aktiviert. Dopamin wird morgens bis etwa elf Uhr vormittags produziert. Wenn man beim Krafttraining also gleichzeitig etwas für seine mentale Gesundheit tun möchte, sollte man morgens trainieren. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien und die Forschung ist weit fortgeschritten. Es ist für den Einzelnen allerdings sehr mühsam, dieses gesamte Wissen zusammenzutragen. Mein Ziel ist es, mich hier immer weiterzuentwickeln und die Essenz daraus an meine Klient*innen weiterzugeben. Wenn man in einer Krisensituation steckt, möchte man sich nicht auch noch mit Themenfeldern wie Ernährung und Bewegung auseinandersetzen müssen. Oder sich Atemtechniken und Meditationsmethoden aneignen. Natürlich kann man versuchen, seine Probleme im Stillen zu lösen, auch dafür gibt es Möglichkeiten, ich glaube aber, dass der Weg, sich Hilfe zu holen, der zielführendere ist. Manchmal sind es nur kleine Stellschrauben, an denen man drehen muss. Es braucht jedoch jemanden, der einem sagt, was zu tun ist, um den größtmöglichen Effekt zu erzielen.
Gibt es etwas, das dich heute noch aus der Ruhe bringen kann?
Nein, eigentlich nicht. Für bestimmte Dinge hab ich halt etwas weniger Verständnis.
Interview: Marina Bernardi