Wer in seiner Erinnerungskiste nach den ersten Schwüngen auf Schnee kramt, holt ganz spezielle Schätzchen hervor. Den Übergang vom Rutschen zum Gleiten etwa oder jenen vom sanften Schneepflug zum zackigen Bremsmanöver, das die stolz wartende Mama in eine Schneewolke hüllt. Die Gedanken an das erste Mal allein am Schlepplift, die erste Schussfahrt, das erste wilde „Schanzen“ oder das erste Rennen verdichten sich im Nachhinein zu einem herrlichen Gefühl unbeschwerter Schneefreude. Und immer, ja immer sind diese Erinnerungen mit dem Skilift verbunden, dessen Pisten als Erste bezwungen wurden. Wie jene des Hüttegg-Liftes in Weerberg, wo kleine, aber auch größere Menschen seit 1982 ihre Skigeschichten in den Schnee schreiben.
Skifest
Als im Jänner 2023 das 40-jährige Jubiläum des Hüttegg-Liftes mit einem großen Skifest und viel Gaudium gefeiert wurde, füllten diese Geschichten ein ziemlich dickes, lustiges und buntes Buch. Bunt auch, weil ein Nostalgierennen zum winterlichen Feierreigen zählte und die Teilnehmer sich im Outfit der 1980er-Jahre in den mit Haselnuss-stecken gesteckten Riesenslalom stürzten. Bei strahlendem Postkartenwetter.
Dass der Eröffnungstag des Liftes diesbezüglich eine Zitterpartie gewesen war, erzählten ältere Semester in diesem Rahmen mit großem Hang zum natürlichen Drama. Denn noch am Tag, bevor Anfang Dezember 1982 der Startschuss für das Skivergnügen im Rahmen einer winterlichen Feldmesse fallen sollte, war keine einzige Schneeflocke vom Himmel gefallen. Frau Holle meinte es damals aber gut mit den Weerbergerinnen und Weerbergern. Über Nacht beschenkte sie die Gute mit einer prächtigen Schicht aus frischem Schnee, sodass die Bilder des Eröffnungstages jenes Winterwunderland zeigen, für das der Hüttegg-Lift weitum bekannt und über die vielen Jahre für Skibegeisterte weit jenseits der Weerberger Gemeindegrenzen zum sicheren Schneehafen geworden ist.
„Ich bin in Weerberg aufgewachsen, habe Skifahren – eh klar – am Hüttegg-Lift gelernt und da bin ich heute noch“, sagt Christoph Vockenberger. Er wohnt nur fünf Gehminuten vom Hüttegg-Lift entfernt. Das macht das „eh klar“ federleicht nachvollziehbar, lag „der Schwanner“, der zweite und für Skianfänger recht perfekte Weerberger Lift, doch für seine Verhältnisse viel zu weit entfernt von zu Hause. Dass Christoph heute noch am Hüttegg-Lift ist, liegt an seinem Job. Er ist Betriebsleiter des Liftes, der seine Gäste von 1.460 Metern auf 1.500 Meter Seehöhe schleppt, um sie auf eine Piste zu „werfen“, die sich ohne Zurückhaltung als „stets perfekt präpariert“ rühmen darf. Darum kümmert sich Christoph, seit er im Alter von 15 Jahren Feuer genau dafür gefangen hat. „Ich bin immer mit dem damaligen Betriebsleiter mitgefahren und irgendwann habe ich es selbst tun dürfen“, erzählt der 35-Jährige und stellt klar: „Die Maschinen haben mich immer fasziniert. Wenn der Lift geschlossen ist, bin ich Baggerfahrer.“ Maschinen sind sein Ding.
Wer – wie er – auf einem kleinen Bauernhof aufwächst, dort mithilft und das Traktorfahren wohl lernt, sobald die Beine lang genug gestreckt werden können, um die Pedale zu erreichen, bekommt das Gefühl für PS-Stärken quasi in die Wiege gelegt. Und wem – wie ihm – nicht nur das kraftvolle Fahren taugt, sondern auch die Mechanik dahinter, lernt diese Feinheiten gleich mit. Und um die Feinheiten des Pistenpräparierens mit dem dafür konstruierten Kettenfahrzeug zu üben, bot der Hüttegg-Lift dem jungen Weerberger eine wunderbare Bühne. „Acht Hektar sind’s, das passt schon“, beschreibt Christoph flockig die Schneefläche der Hüttegg-Lift-Piste. 80.000 Quadratmeter sind’s – für eine bessere Vorstellung der Maße übersetzt. Christoph ist Fußballer, er spielt beim SV Weer-berg, für den er laut aktueller Statistik des Österreichischen Fußball-Bundes in 282 Spielen 135 Tore erzielt hat. Darum kann die Schneefläche, die er so regelmäßig wie verlässlich zur Piste macht, getrost mit rund 11,5 Fußballfeldern verglichen werden. Ein großes Stück Arbeit, um für all die Fans des beliebten Kleinskigebietes in der Silberregion den kristallinen Boden aufzubereiten. „Wenn es über Nacht geschneit hat, starte ich in der Früh um sechs. Sonst fahre ich am Abend, so von halb acht bis zehn Uhr. Ja, zweieinhalb Stunden haben wir da zu tun“, erzählt er. Wenn Christoph von wir spricht, nimmt er seinen „Gotlbua“ – sein Patenkind – Andreas mit: „Der ist auch ein bissl maschinenfanatisch und jetzt auch beim Lift.“ Andreas ergänzt die fünfköpfige Hüttegg-Lift-Mannschaft perfekt, wie’s scheint.
Präparier-Kunst
In der Vorstellung, wie der coole Patenonkel seinem Patenkind die Kunst des Pistenpräparierens beibringt, steckt viel Schönes vom dörflichen Familienleben in Weerberg. Mit Andreas wechselt sich Christoph auch ziemlich gerne ab: „Jeder von uns fährt vier Tage. Ich arbeite untertags am Lift. Wenn ich fahren muss, werden die Tage schon lang.“ Im Zusammenhang mit Licht sind sie es im Winter nicht. Egal ob in der Früh oder „in der Spät“ – dass es immer finster ist, wenn die Weerberger Pistenraupe fährt, ist winterlogisch.
Mit dem schweren Gerät feinste Verhältnisse zu schaffen, ist nicht leicht. Die Temperatur- und Wetterverhältnisse können sich schlagartig ändern. Mal wird es urwarm, dann wieder urkalt, und weil die Schwächeanfälle der Frau Holle auch in dieser, an der für Außenstehende verwirrenden Weerberger Zallerstraße gelegenen Ecke kein Geheimnis sind, greifen ihr am Hüttegg-Lift fünf Schneekanonen unter die Arme. Sie stellen auch sicher, dass der Lift ein hoffnungsfroher Fluchtpunkt ist, wenn tiefer liegende Pisten dem Winter und seinen Sportlern leise adieu sagen müssen. „Wir sind schneesicher. Darum kommen sie dann alle zu uns“, sagt Christoph nicht ohne Stolz.
Als „bärigsten“ Schnee zum Präparieren beschreibt er den Neuschnee, wenn es links und rechts bis zu den Pistenraupenfenstern rauf „staubt“. Bärig sind diese Tage auch für jene, die wegen dieser frisch geraupten Piste gerne früh aufstehen, um die ganz besonders feinen Verhältnisse als Erste zu genießen. Knifflig wird’s im Frühjahr, wenn die Sonne stärker und der Schnee auch am Hüttegg-Lift „batzig“ wird. Dann müssen nicht nur ausreichend Schneemassen zu aperverdächtige Flächen geschoben, sondern die Raupe auch bereits gestartet werden, wenn die letzten Skifahrer ihre letzten Schwünge setzen. „Wird es fünf oder sechs, fängt es schon zum Aufstarren an und du hast kein schönes Pistenbild“, erklärt Christoph das, worum es geht und worin er Meister ist. Der Weerberger Pistenbildhauer.
Text: Alexandra Keller
Fotos: Tom Bause
Aus: Dahoam Winter 2023/24