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Geld

Reden wir drüber

7.2.2025

eco.nova: Laut Allianz Global Wealth Report hat der durchschnittliche Deutsche ein Finanzvermögen von rund 70.000 Euro. Wie viel sind es bei Frau und Herr Österreicher und – noch wichtiger – warum ist diese Betrachtungsweise Unsinn? Martin Granig: Deutschland und Österreich liegen beim Nettogeldvermögen ziemlich gleichauf, Österreich liegt mit 70.400 Euro sogar leicht über Deutschland mit 69.800 Euro. Global ist es 2023 um 7,4 Prozent gewachsen, in Österreich nur um 3,6 Prozent. Berücksichtigt man die Inflation, ist es sogar um vier Prozent geschrumpft. Das ist das Bild, wenn man sich die Durchschnitte anschaut. Das macht allerdings sehr wenig Sinn. Der Median ist da schon etwas aussagekräftiger. Da liegt das Nettogeldvermögen der Österreicher*innen bei 20.800 Euro, das heißt, die Hälfte der Österreicher*innen hat weniger als das. Selbst der Median verzerrt die Realität. Die Vermögensverteilung ergibt ein klareres Bild.

Wie sieht dieses Bild aus? Es zeigt, dass Österreich im Euroraum die schlechteste Wohlstandsverteilung hat. Das oberste Prozent der Vermögenden besitzt 55 Prozent des Gesamtvermögens, die untere Hälfte weniger als vier Prozent.

Wie lässt sich das erklären? In der öffentlichen Debatte – besonders im Kontext von Vermögenssteuern – wird ja gerne darauf verwiesen, dass es in Österreich so gerecht zugehe? In der medialen Verkürzung bedient man sich gerne der Durchschnittswerte. Die verdecken die Probleme. Die Zahlen sind an und für sich klar und bekannt, es wird aber nicht gerne transparent darüber gesprochen, weil sie Handlungsbedarf auf gleich mehreren Ebenen offenbaren. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Zahlen ja nicht so sind, weil hier Menschen besonders innovativ gewesen sind oder hart gearbeitet hätten. Der größte Teil der Vermögen ist ererbt.

Das ist im gesamten deutschsprachigen Raum die gängige Methode, zu Vermögen zu kommen. Ganz genau. Sieben der zehn bzw. 15 der 20 reichsten Österreicher*innen sind Erben, während in den USA die Vermögen von neun der zehn reichsten Amerikaner*innen „self made“ sind.

Beim Thema Vermögensbesteuerung sind die politischen Fronten in Österreich verhärtet, ohne Aussicht auf Änderung. Warum ist das so? Die, die mehr Kapital haben, haben die Macht, sowohl wirtschaftlich als auch politisch Einfluss zu nehmen. Reiche Menschen haben eine starke Lobby, arme Menschen keine. Ich bin grundsätzlich nicht unbedingt dafür, neue Steuern einzuführen. Mehr zu arbeiten, um dadurch mehr zu verdienen, soll ja ein Incentive bleiben. Man müsste aber dafür den sogenannten Mittelstand deutlich entlasten, so dass man von der Mehrarbeit mehr profitiert und sich auch etwas aufbauen kann.

Es wird gerne darauf herumgeritten, dass Österreicher altmodisch am Sparbuch hängen würden, während ihnen die große Rendite an der Börse entginge. Wird bei diesem auf den ersten Blick einleuchtenden Vorhalt etwas übersehen? Das ist eine sehr undifferenzierte Betrachtung. Bei uns wird das Thema Vermögen und Unternehmertum kulturell ganz anders gehandhabt als beispielsweise in den USA. Als ich mich selbständig gemacht habe, war das Erste, was ich von meinen Eltern gehört habe: „Wirklich? Magst nicht lieber noch in deinem Angestelltenjob bleiben?“

Das Sicherheitsdenken dominiert vor einer generell eher schaumgebremsten Unternehmungslust. So ist es. Daran hat auch unser Schulsystem einen nicht unwesentlichen Anteil. Es erzieht tendenziell eher dazu, ein guter Angestellter zu sein, als Risiko einzugehen und ins Unternehmertum einzusteigen. Ich bin ein Fan unseres Sozialsystems und möchte niemals in amerikanischen Verhältnissen leben, …

Jetzt kommt normalerweise ein Aber? Es gibt einige Fehlanreize und negative Aspekte in unserem System. Wir haben heute ein so gut gestricktes Sozialsystem, dass man sich in niedrigen Einkommensgruppen teilweise überlegen muss, ob es sich überhaupt rentiert, zu arbeiten. Außerdem wird Mehrarbeit bürokratisch verkompliziert und steuerlich bestraft. In den USA gibt es das in der Form nicht. Man kann nur aufsteigen, wenn man härter arbeitet und mehr Risiken eingeht. Österreich ist konservativer, weil wir es uns in der Vergangenheit leisten konnten, konservativer zu sein. Ob das in Zukunft noch so sein wird, steht in Frage.

Baut die Politik mit der stärkeren Betonung der Eigenverantwortung vor für eine Zeit, in der aufgrund der Demografie und chronisch leerer Staatssäckel der Generationenvertrag Makulatur geworden sein wird? Definitiv wird in diese Richtung kommuniziert: Ihr müsst mehr investieren, das Sparbuch ist schlecht, da verliert das Geld nur an Wert. Das ist aber ein bisschen so, wie wenn ich einem Verdurstenden in der Wüste sage, er solle doch einfach mehr trinken. Ein viel zu großer Teil der Österreicher*innen lebt von der Hand in den Mund. Den Leuten, die nicht einmal einen Notgroschen auf der Seite haben, zu sagen, sie mögen mehr investieren, ist zynisch. Generell sind wir in Österreich aber spät damit dran, die Pensionen etwas stärker auf einen Mix aus staatlicher, privater und betrieblicher Pensionsvorsorge unter stärkerer Einbeziehung des Kapitalmarkts auszurichten.

Wie vielen Österreicher*innen ist es gegenwärtig unmöglich, etwas zur Seite zu legen? Das dürfte zumindest ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung betreffen. Das Top-Prozent spart 35 Prozent des Vermögens, die Top-Zehn-Prozent 70 Prozent des Vermögens und die unteren 50 Prozent verschulden sich im Durchschnitt mit 300 Euro pro Jahr. Die unteren 30 Prozent sind jedenfalls weit davon entfernt, etwas ansparen zu können.

Wo würden Sie hierzulande bei der Finanzbildung, an der es offensichtlich in weitesten Teilen der Bevölkerung nach wie vor mangelt, ansetzen, um finanziell mündigere, informiertere und selbstbewusstere Bürger*innen zu produzieren? Finanzbildung ist nicht Rocket Science. Es geht um Basics, darum, zu verstehen, wo mein Geld hinfließt. Zu verstehen, wie man Kosten senken, sein Einkommen erhöhen und sich gegen Risiken – kurzfristig der Notgroschen, langfristig das Investment und die Versicherung – absichern kann und wie man für die Pension vorsorgt. Es geht nicht darum, das Steuersystem im Detail zu verstehen. Ziel muss es sein, die Angst vor dem Thema Geld zu nehmen. Da geht es auch wieder um unsere Kultur, in der gesagt wird: Über Geld spricht man nicht.

Das ist zum Nachteil derer, die ohnehin wenig davon haben, weil Menschen, die Geld haben, sehr wohl – wenn auch nur mit Eingeweihten – darüber sprechen und vor allem intensiv darüber nachdenken oder nachdenken lassen, wie sich das Geld weiter vermehren lässt. Genau. In der Regel ist es so, dass man jahrelang nicht über Geld spricht, bis man sein erstes Geld verdient. Dann kann man zwar Goethe rezitieren, weiß aber immer noch nichts über Geld.

Ich möchte meinen, dass man sowohl über Goethe als auch über Geld Bescheid wissen kann. Auf jeden Fall. Wenn sich Jugendliche besser mit Geld auskennen, dann lässt sich auch ein positiver Spill-over-Effekt beobachten. Das strahlt dann auch auf die Elterngeneration aus. Ich komme aus einer klassischen Blue-Collar-Familie, von der ich nichts über Geld lernen konnte. Ich habe mich hingegen schon immer für das Thema interessiert und begonnen, mit meinen Eltern über Geld zu reden.

Warum scheitert unser Bildungssystem bisher daran, den Schüler*innen beim Thema Finanzbildung grundlegende Inhalte zu vermitteln? Das ist zum einen sicher eine Prioritätsfrage. Man muss in den bestehenden Stundenplänen gezielt Platz dafür schaffen. Zum anderen scheitert es sicher auch teilweise an den Ausbildungen der Pädagog*innen. Denn nur was man selber versteht, kann man Kindern beibringen, und meist haben die Pädagog*innen in dem Bereich selbst zu wenig Ausbildung erhalten.  

Sind die Österreicher – wie die Deutschen – einfach „patscherte“ Sparer oder sehen Sie ein systemisches Problem? Ich glaube nicht, dass wir ungeschickte Sparer sind. Nach dem Abzug der monatlichen Kosten muss halt noch etwas zum Sparen übrigbleiben. Wenn nichts da ist, kann nichts gespart werden.

Das weist möglicherweise auf ein systemisches Problem hin, wenn sich Erwerbsarbeit für viele Menschen nicht mehr lohnt. Gut möglich. Hohe Lebenshaltungskosten bei gleichzeitig geringen Durchschnittseinkommen sind ein Problem, das sich auch hier in Tirol beobachten lässt.

Oft unterschätzt wird auch, dass der Faktor Zeit grundsätzlich aufseiten des Sparers ist. Je früher man mit dem Sparen beginnt, umso besser. Der Zinseszinseffekt ist das achte Wunder der Menschheit. Würde man es schaffen, seinem Kind mit 18 Jahren ein Portfolio mit 25.000 Euro zu übergeben und dieses würde nichts mehr darauf einzahlen, sondern es nur 40 Jahre liegen lassen, würde fast eine Million daraus werden, weil der Kapitalmarkt im Schnitt mit acht Prozent pro Jahr wächst. Ja, es gibt zwar immer wieder Korrekturen, doch der Trend geht in diese Richtung. Als Staat müsste man es sich einmal ansehen, ob es nicht die Möglichkeit gäbe, einen Teil des Kindergeldes bzw. der Familienbeihilfe nicht auszuzahlen, sondern am Kapitalmarkt schon für die Pension zu veranlagen. Das würde vielen Kindern später den Start ins Erwachsenenleben maßgeblich erleichtern. Besser könnte man aus staatlicher Sicht in die Zukunft von Kindern kaum investieren.

In Zeiten wie diesen drängt sich leider die Frage fast schon auf, ob der Staat überhaupt – noch – ein Interesse daran hat, mündigen Bürger*innen gegenüberzutreten? Ich bin da naiv und unterstelle, dass der Staat das Wohl seiner Bürger im Auge hat. Es gibt aber starke Lobbys und Interessen, die nicht immer diesem Ziel dienen.

Veranlagungen am Kapitalmarkt sind inhärent riskanter als das Geld am Sparbuch zu lassen. Wie halten Sie es mit dem Thema Risiko? Ja, der Kapitalmarkt schwankt, manchmal gibt es auch stärkere Korrekturen. Wenn man aber viel Zeit hat, kann man das komplett vernachlässigen. Nehmen wir als Beispiel den MSCI World, der aus rund 1.500 Aktien aus mehr als 20 Industrieländern besteht. Betrachtet man dort einen beliebigen 15-Jahres-Zeitraum, hat es noch nie einen gegeben, in dem man negativ ausgestiegen wäre. Wer allerdings erst mit 55 Jahren damit beginnt, für die Pension etwas zur Seite zu legen, hat natürlich ein Risiko, dass innerhalb dieser zehn Jahre eine Korrektur kommt und das Portfolio gerade dann weniger wert ist, wenn man das Geld braucht. Wer mit 18 Jahren beginnt, für den ist das Risiko dagegen wirklich vernachlässigbar. Sogenannte Black-Swan-Events kann man natürlich nie ausschließen, aber auch nicht vorhersehen.

Wie würden Sie Kindern den richtigen Umgang mit Geld beibringen? So früh wie möglich. Ich habe bei meiner heute achtjährigen Tochter sehr früh mit dem Thema Taschengeld begonnen. Und das, obwohl manche gemeint haben, dass es noch ZU früh sei. Kinder verstehen jedoch schon sehr, sehr früh. Gibt man dem Kind einen Euro pro Woche und es möchte sich etwas kaufen und muss dafür einige Wochen sparen, dann lernt es dadurch. Später kann man dazu übergehen, das Taschengeld einzuteilen. Einen Teil kann das Kind nach Gutdünken ausgeben, ein Teil wird gespart. Noch später kann man auch das Thema Spenden mittransportieren. Meine Tochter war auch der Auslöser für unser Monkee-Wimmelbuch, das wir mit dem Ziel entwickelt haben, dass schon früh über Geld geredet wird. Studien zeigen, dass bereits Kinder unter sechs Jahren wichtige Einstellungen zum Thema Geld von ihren Eltern lernen. Da entscheidet es sich, ob sie später in ihrem Leben einen positiven oder negativen Bezug zum Geld haben. Wird zu Hause nie über Geld gesprochen oder immer nur negativ, wird das Kind auch später als Erwachsener keinen positiven Bezug zum Geld entwickeln können. Dann arbeitet man als Erwachsener – meist Vollzeit – für etwas, mit dem man nichts Positives verbindet. Und in der Folge wird über die geschimpft, die über einen anderen, positiveren Zugang zum Geld verfügen.

Mit einer negativen Einstellung zu Geld tut man sich folglich auch selbst keinen Gefallen? Nein. Das ist absolut kontraproduktiv. Im deutschsprachigen Raum ist diese Einstellung leider weit verbreitet. Im anglophonen Raum sind Menschen, die es finanziell geschafft haben, eher noch Vorbilder, denen man nacheifern will.

Doch auch dort hat die Erzählung, man könne es mit Fleiß „vom Tellerwäscher zum Millionär“ schaffen, Risse bekommen. Die westlichen Gesellschaften leiden zunehmend unter einer Kaste von – ich weiß nicht, ob Sie mit dieser Terminologie etwas anfangen können – Überreichen, die es sich auf Kosten aller anderen richten wollen. Im Zusammenhang mit Trumps Amtseinführung hat man dazu auch den überaus passenden Begriff „Broligarchy“ gehört. Am Problem „Überreichtum“ werden nur sehr wenige Menschen leiden. Doch es heißt, die erste Million sei die schwierigste, und ich glaube, dass da etwas dran ist. Wer ein gewisses Vermögen hat, bewegt sich in gewissen Kreisen, kommt schneller zu neuen Informationen und Veranlagungsmöglichkeiten und kann sein Vermögen auch steuerschonend strukturieren. Demokratiepolitisch ist Überreichtum aber sicher eine ernstzunehmende Herausforderung.

Was war der Gründungsimpetus hinter Monkee? Wir wollten Menschen dabei helfen, ihre finanzielle Gesundheit zu verbessern, indem sie ihre kurzfristigen Finanzen besser im Griff haben können und nicht mit Geld konsumieren, das sie eigentlich gar nicht haben. Wir wollen die Menschen mit einem Tool dabei unterstützen, auf gewisse finanzielle Ziele hinzusparen. Das Prinzip „Buy now, pay later“ vom Kopf auf die Füße zu stellen, zu „Save now, buy later“.

Sind wir als Menschen überhaupt dazu angelegt, Belohnung zu verschieben? Unsere Psyche ist tatsächlich eher für Instant Gratification, die sofortige Belohnung, ausgelegt. Das wird von unserer Konsumindustrie massiv bespielt. In unserer physischen und mentalen Gesundheit geht es aber nicht um Instant Gratification, sondern um Delayed Gratification. Ich muss heute mit dem Laufen beginnen, damit ich irgendwann einmal konditionelle Vorteile davon habe. Es hilft auch schon, wenn man etwas, das man sich anschaffen möchte, einfach vor dem endgültigen Kauf 24 Stunden im Warenkorb lässt. Mindestens die Hälfte dieser Produkte sind einen Tag später tatsächlich schon wieder uninteressant.

Worin sehen Sie für Menschen die größten Schuldenfallen? In der Kombination aus schlechtem Finanzwissen, genialen Algorithmen und mächtigen Influencern in den sozialen Medien und dem Umstand, dass es unglaublich einfach geworden ist, auf Pump zu konsumieren. Will ich ein Aktiendepot anlegen, muss ich mich mit meinem Reisepass authentifizieren, Risiko-Assessments machen und mehr. Für einen Ratenkauf brauche ich nur eine Telefonnummer.

Interview und Fotos: Marian Kröll

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