#
Geld

Die Neue

16.4.2025

eco.nova: Sie sind der Neuzugang in der Vorstandsetage der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG und haben mit Jahresanfang Ihr Mandat angetreten. Wie ist der erste Eindruck, den Sie bisher gewonnen haben?

Gabriele Kinast: Ein unheimlich guter, vor allem von der Willkommenskultur her. Ich bin hier mit offenen Armen empfangen worden. Ich fühle mich sehr wohl unter meinen Kolleg*innen in der Bank, so wie überhaupt im Raiffeisensektor Tirol. Mir kommt die hiesige Du-Kultur sehr entgegen. Das schafft gleich eine Nähe, man kommt schneller ins Gespräch miteinander.

Sie waren vorher lange Jahre in Berlin. Dort wird mit dem Du-Wort wohl sparsamer umgegangen und generell eher gesiezt. Geht es im Norden Deutschlands etwas kühler und distanzierter zu?

Das hat sich gewandelt. In meinem vorherigen Job wurde das „Du“ erst vor kurzem eingeführt, allerdings auf freiwilliger Basis. Wenn man viele Jahre mit dem Sie sozialisiert wird, braucht es ein bisschen Zeit. Hier ist das Du aber selbstverständlich. Das hat mir den Start, das Onboarding, wie man Neudeutsch sagt, unheimlich leicht gemacht. So viel zu den äußeren Bedingungen, auf der Sach-
ebene gibt es natürlich sehr viele Themen, in die man sich erst einarbeiten muss. Wenn aber das Miteinander und die Kultur im Unternehmen so gut sind, macht es das leicht.

Sie stammen ursprünglich aus Süddeutschland. Was war ausschlaggebend für Ihre Bewerbung für diesen Vorstands-
posten, vom flachen Berlin in die gebirgigen Alpen?

Genau genommen hat sich die Bank bei mir beworben und angefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Ich wäre tatsächlich nicht von allein auf die Idee gekommen, mich nach Tirol zu bewerben. Mein Mann und ich haben 20 Jahre sehr gerne in Berlin gelebt, wir lieben diese Stadt. Trotzdem hat sich das Berlin-Feeling und der Reiz der Großstadt ein wenig verflüchtigt. Wir haben uns immer wieder gefragt, ob wir ewig in Berlin bleiben oder noch einmal unseren Lebensmittelpunkt neu ausrichten wollen. Wir stammen beide aus dem Süden Deutschlands, väterlicherseits liegen meine Wurzeln in Oberaudorf, nahe an Kufstein. Wir hatten außerdem seit längerem ein Feriendomizil im Chiemgau und haben immer viel und gerne Zeit in der Region verbracht. Nachdem ich mich mit dem Angebot der RLB Tirol auseinandergesetzt habe, haben wir am Gedanken, nach Tirol zu gehen, immer mehr Gefallen gefunden. Es ist einerseits eine schöne Region, andererseits beruflich eine interessante Aufgabe in einem Unternehmen mit einer aus meiner Sicht guten, modernen Unternehmenskultur. Es ist mir wichtig, dass es ein gutes Miteinander gibt, wie Hierarchie gelebt wird, ob es ein Agieren auf Augenhöhe gibt, um schnell Informationen teilen zu können und Entscheidungen auf den Weg zu bringen. Auf diese Dinge lege ich großen Wert, und daher ist diese Position für mich die richtige.

Vorstandsarbeit wurde in der Raiffeisen-Landesbank Tirol vom scheidenden Vorstandsvorsitzenden Reinhard Mayr explizit als Teamarbeit begriffen. Das dürfte sich auch unter Thomas Wass’ Führung nicht großartig ändern. Sind Sie denn eine Teamplayerin?

Absolut. Absolut. Die Form der Zusammenarbeit war für mich auch ein wichtiges Entscheidungskriterium. Die Frage, ob man eher als Einzelkämpfer in seinem Silo unterwegs ist oder Führung im Vorstand als Gemeinschaftsaufgabe begriffen wird. Klar, jeder hat seinen Aufgaben- und Verantwortungsbereich, nichtsdestotrotz geht es darum, einander in den jeweiligen Rollen zu empowern und gegenseitig zu helfen. Das beginnt damit, dass wir als Vorstandsteam miteinander in einem Büro sitzen. Keiner von uns hat ein Einzelbüro.

Das wurde mit dem Umzug ins Ausweichquartier so eingeführt und dürfte sich, wenn man Ihre diesbezüglichen Ausführungen richtig interpretiert, bewährt haben?

Es hat sich bewährt. Deswegen werden wir das nach unserem Umzug ins RAIQA genauso fortführen. Das mag nach einer Kleinigkeit aussehen, es ist aber schon ganz wesentlich ein Zeichen dafür, wie wir miteinander arbeiten. Die Informationen fließen sehr schnell und transparent und werden geteilt. Das eröffnet gerade mir, die ich neu bin, die Dinge schnell zu hinterfragen. Dadurch entsteht ein tolles Miteinander und auch bei der Diskussion von Problemen merkt man, dass es einen Mehrwert gibt, wenn die Perspektiven und Denkweisen dreier unterschiedlicher Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen und Herangehensweisen zueinanderkommen. Drei Perspektiven sind besser als eine.

Was glauben Sie, warum die Bank sich gewissermaßen bei Ihnen beworben und Sie nach Tirol geholt hat?

Das liegt speziell in meiner Erfahrung im Personalwesen. In meiner letzten Funktion war ich von 2017 weg für das Personal verantwortlich bei einem Institut, das sich in dieser Zeit kulturell extrem weiterentwickelt hat und wo die personelle Transformation sehr gut gelungen ist. Daran habe ich einen beträchtlichen Anteil gehabt. Ich glaube, man hat jemanden gesucht, der diese Personalexpertise mitbringt. Das ist sowohl für die RLB essentiell wie für den gesamten Tiroler Raiffeisensektor. Wie werden wir als Arbeitgeber attraktiv, wie können wir Weiterentwicklungen anbieten? Das sind übergreifende Fragestellungen, die uns alle beschäftigen.

Woran soll man Ihre Handschrift in Ihren Verantwortungsbereichen, speziell im Personalbereich, konkret erkennen?

Ich will den Dingen immer zuerst auf den Grund gehen und komme nicht hierher und übertrage ein anderswo bewährtes Konzept auf diese Bank. Es muss ja zu den Menschen und Prozessen hier und zur Ausrichtung passen. Man muss alle dafür gewinnen und mitnehmen. Der erste Schritt ist immer, dass ich ins Verstehen gehe und einmal ganz genau zuhöre. Man kann Problemlösungen nicht isoliert von Problemen entwickeln. Es sind so viele Ideen und Ansatzpunkte ohnehin vorhanden. Diese losen Enden zusammenzuführen und in eine gemeinsame Umsetzung zu bringen, wird meine Handschrift sein. Ich bin dabei umsetzungsstark und mutig.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Erstmals als enorm partizipativ. Mir ist es zum einen ganz wichtig, dass ich meinen Führungskräften, vor allem den Bereichsleitern, mit denen ich zusammenarbeite, aber auch deren Teams, gut zuhöre und möglichst viele Informationen teile, zirkulieren lasse und mich damit auseinandersetze. Meine Haltung ist es, sehr offen zu sein, die Dinge transparent anzugehen, Argumente auszutauschen und die Geschichte hinter der Geschichte zu erfahren und zu transportieren. Zweitens geht es mir darum, jeden Einzelnen in seiner Führungsrolle zu stärken, indem konkrete Situationen auch reflektiert und gespiegelt werden. Meine Führungskräfte machen so wie ich selbst auch täglich Führungserfahrung. Wenn es uns gelingt, diese Erfahrungen in einem geschützten Raum zu teilen und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln, wie mit diesen Situationen besser umgegangen werden kann, können alle aus diesen Situationen heraus wachsen.

Geht es Ihnen dabei auch um die Etablierung einer Konflikt- und Fehlerkultur?

Absolut. Ich weiß nicht, ob das eine Tiroler Eigenheit ist, aber mir begegnet oft, dass man sehr auf Harmonie bedacht ist. Das ist eine wunderbare Ausprägung, Harmonie tut uns ja allen gut. Wir haben zunächst einmal alle eine positive Grundeinstellung, wiewohl es natürlich unterschiedliche Sichtweisen gibt. Zu einer guten Harmonie gehört es, wenn diese in einer ehrlichen, konstruktiven Art und Weise artikuliert werden können.

Sonst ist das bloß eine Scheinharmonie.

Exakt. Ich will die Dinge konstruktiv ansprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Das klingt vielleicht banal, ist aber in der Umsetzung gar nicht so einfach.

Pauschalisierungen sind immer schwierig. Trotzdem: Finden Sie, dass Frauen anders führen als Männer?

Ich weiß nicht, ob man das pauschal sagen kann. Meine persönliche Erfahrung ist, dass je unterschiedlicher Teams zusammengestellt sind, desto größer der generierte Mehrwert. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Pauschalurteile mag ich nicht besonders, egal ob es um Männer und Frauen oder Generationen geht. Es gibt aber wohl gewisse Merkmale, die bei Frauen tendenziell ausgeprägter sind als bei Männern und umgekehrt. Frauen hören vielleicht mehr auf zwischenmenschliche Signale. Das würde ich gar nicht als Empathie beschreiben, aber die Antennen sind bei Frauen und Männern anders ausgeprägt.

Ist es Ihnen wichtig, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen?

Absolut.

Was muss dafür getan werden?

Es wird uns nicht gelingen, wenn wir noch mehr Frauenförderungsprogramme auflegen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, die Frauen können das. Vielleicht trauen sie es sich noch zu wenig zu. Ein Aspekt ist, Frauen zu ermutigen und zu ermächtigen, ihren Hut in den Ring zu werfen. Eine große Herausforderung ist, dass die Care-Arbeit, das Kümmern um die Kinder oder zu pflegende Angehörige, nach wie vor von den Frauen gemacht wird.

Wenn man ganz ehrlich ist, wird man zugeben müssen, dass Care-Arbeit nach wie vor ein Karrierekiller ist.

Absolut, so ist es. Wenn ich die Care-Arbeit schultere, ist das in der Regel mit einem Vollzeitjob kaum vereinbar. Es fehlt an der notwendigen Kinderbetreuung und selbst wenn diese da ist, stellt sich die Frage, ob es gesellschaftlich richtig ist, 40 Stunden zu arbeiten und die Kinder mehr als Fulltime extern betreuen zu lassen. Es gibt da noch große Aufgaben zu bewältigen. Es braucht eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie Care-Arbeit so aufgeteilt werden kann, dass alle gleich an Karrierechancen partizipieren können.

Was würden Sie jungen Frauen raten, die eine Karriere im Finanzsektor anstreben?

Im Finanzsektor gibt es ganz tolle Karrieremöglichkeiten und ganz unterschiedliche Jobs. Man verbindet das Bankwesen häufig mit dem Bild der Bankstelle und der Arbeit hinter dem Bankschalter. Wenn man sich damit nicht identifizieren kann, wird man vorschnell auf die Idee kommen, dass der Bankenberuf nichts für einen ist. Das ist schade, weil es in Banken ein so großes und vielfältiges Aufgabenspektrum gibt. Ich würde allen Frauen empfehlen: Seid mutig, steckt den Kopf rein, hört es euch an und entscheidet dann, ob das etwas für euch sein könnte.

Über Geld spricht man nicht, heißt es so schön – und falsch. Was hätten gerade Frauen zu gewinnen, wenn offener über Geld geredet würde?

Zu gewinnen ist aus meiner Sicht Spaß, denn es macht auch Freude, über Geld zu reden in dem Sinne, wie man es sinnvoll anlegen und vermehren und für kommende Lebensphasen vorsorgen kann. Es gibt ganz interessante Anlageformen, die über das normale Sparkonto hinausgehen. In unserem Kulturkreis sehen wir, dass Frauen bei Anlagen jenseits klassischer, konservativer Veranlagungsformen sehr zurückhaltend sind.

Betrachten Sie demzufolge Female Finance als Wachstumsmarkt?

Braucht es aus Ihrer Sicht mehr auf die Bedürfnisse, Biografien und Werthaltungen von Frauen zugeschnittene Finanzprodukte? Ich glaube, es genügen die bestehenden Finanzprodukte. Man muss sich eher die Frage stellen, warum es uns noch nicht so gut gelingt, den Frauen das Thema zugänglich zu machen. Warum gibt es Berührungsängste und Hemmungen? Warum finden Frauen das nicht interessant? Mein Weg ist, mit den Frauen ins Gespräch zu kommen. Es geht auch um Kommunikation und Sprache, die im Bankwesen mitunter sehr technisch ist und wahrscheinlich auch von Männern geprägt wurde. Man muss Barrieren abbauen, um diese Themen für Frauen attraktiver zu machen. Deshalb verfolge ich auch das Ziel, mehr Frauen in Beratungsfunktionen zu haben. Wenn eine Frau von einer Frau beraten wird, kann das allein schon den Unterschied machen.

Der Bankensektor ist immer noch männlich dominiert, auch wenn sich das gerade zu ändern beginnt. Wurden Sie in Ihrer Berufslaufbahn einmal dafür diskriminiert, eine Frau zu sein?

Überhaupt nicht. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt. Als Frau werden einem aber zum Teil andere Fragen gestellt. In einem Vorstellungsgespräch wird vermutlich kein Mann gefragt, wie er Beruf und Familie unter einen Hut bekommen will. Das ist eine Frage, die typisch den Frauen gestellt wird.

Sie sind mit der deutschen Bankenlandschaft vertraut. Inwiefern unterscheidet sich Banking in Deutschland und Österreich?

Es gibt Unterschiede. Raiffeisen ist eine sehr starke Marke mit hoher Strahlkraft und Durchdringung. Das macht Spaß und macht einen auch stolz. In Deutschland ist es so, dass die digitalen Anbieter von Finanzdienstleistungen im Markt sehr viel präsenter sind als hier. Für eine Universalbank in Deutschland ist das Wettbewerbsumfeld ganz anders. Das ist ein Vorteil des regionalen Marktes, auf dem man sich aber nicht ausruhen darf. Diesen Vorsprung muss man nutzen, um weiterhin die Kund*innen zu begeistern. Es gibt auch Unterschiede in der Produktnutzung. Ich hätte nicht gedacht, dass in Österreich bei Finanzierungen eher mit variablen Zinssätzen gearbeitet wird.  Dabei sind die Menschen hierzulande definitiv nicht risikoaffiner. Irgendwann dürften sich variable Kredite vom Risikoempfinden abgekoppelt haben. Irgendwo muss das herkommen. Das ist ein deutlicher Unterschied zu Deutschland, wo man eine sehr hohe Affinität hat, die Dinge fest zu vereinbaren.

Sie werden schon bald in ein neues Quartier umziehen. Mit dem RAIQA hat die Raiffeisen-Landesbank Tirol einen für ein Kreditinstitut neuen, noch ungewöhnlichen Weg gewählt. Die Bank hält sich in ihrem neuen Gebäude bewusst im Hintergrund und macht Raum für andere Nutzungen. Wie gefällt Ihnen dieses Konzept und was erwarten Sie sich von der neuen Zentrale?

Ich finde den Gedanken, an so einem zentralen Ort in Innsbruck Raum an die Gesellschaft zurückzugeben, sehr charmant. Es gibt Raum für Begegnungen, und wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, im RAIQA unsere Rolle als Gastgeber zu leben, für unsere Kund*innen, für Gäste und die Bevölkerung. Ich bin überzeugt davon, dass das etwas mit der Organisation macht.

Wie wird sich das RAIQA auf die innere Verfasstheit der Bank auswirken?

Ich denke, dass wir einen noch offeneren Umgang miteinander pflegen werden. Das Bankgeschäft ist einerseits höchst vertraulich, da sind gewisse Spielregeln einzuhalten, aber gerade bei anspruchsvollen Aufgaben ist bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung notwendig. Um kollaborativ an Lösungen zu arbeiten, werden uns die Arbeitsmöglichkeiten im RAIQA enorm helfen, weil sie automatisch Transparenz schaffen und dabei unterstützen, aufeinander zuzugehen.

Haben diese neuen Arbeitswelten mit Desk-Sharing und die hohe Transparenz bzw. Sichtbarkeit tatsächlich nur Vorteile?

In Summe überwiegt klar der positive Effekt, der sich auf das Miteinander, die Kommunikation und auch die Zugehörigkeit auswirkt. Hier habe ich Austausch, Unterstützung, kann meine Gedanken teilen und habe eine Rückkopplung. Gleichzeitig gibt es aber Schattenseiten, etwa was die Akustik betrifft. Da muss man achtsam sein und diszipliniert gewisse Spielregeln einhalten. Das ist zugleich auch eine gute Übung, um den anderen besser verstehen zu können.

Interview: Marian Kröll

Fotos: Andreas Friedle

Um diesen Beitrag weiter zu lesen,
bestellen Sie bitte die aktuelle Printausgabe.

Ausgabe kaufen
Mehr erfahren
Hier kommen Sie zur Ausgabe
news.
letter

Newsletter

Mit dem kostenlosen Newsletter keine spannenden Beiträge mehr verpassen!
Pünktlich zum Erscheinen jeder Ausgabe gibt's vier Artikel in voller Länge.
Jetzt ANmelden
alle.
ausgaben
Mehr erfahren
Wirtschaftsmagazin April 2025
04/2025

Wirtschaftsausgabe April 2025

Jetzt bestellen
Online lesen
Spezial: Lifestyle März 2025
02/2025

Spezial: Lifestyle März 2025

Jetzt bestellen
Online lesen
Wirtschaftsmagazin Februar 2025
02/2025

Wirtschaftsausgabe Februar 2025

Jetzt bestellen
Online lesen
Spezial: Ärzt:innen im Fokus
12/2024

Spezial: Ärzt:innen im Fokus

Jetzt bestellen
Online lesen
Mehr erfahren
Erstellt von MOMENTUM
schließen