Arbeit wird vielfach als notwendiges Übel angesehen, um sich das restliche Leben leisten zu können. Hergeleitet aus dem Mittelhochdeutschen bedeutet das Wort so viel wie „Beschwernis, Leiden, Mühe“. Das mag früher, als mit Arbeit in der Regel schweres körperliches Tun verknüpft war, seine Gültigkeit gehabt haben, heute ist Arbeit weitaus heterogener. Arbeit ist letztlich nicht nur die Zeit zwischen den Wochenenden. Arbeit kann auch schön sein und Spaß machen. Sollte sie sogar.
Die Digitalisierung hat unser aller Leben maßgeblich beeinflusst und damit auch die Art und Weise, wie wir heute und in Zukunft arbeiten. Eine klare Abgrenzung zwischen Arbeits- und Freizeit gibt es kaum mehr. Laptops, Tablets und Smartphones sorgen für ständige Erreichbarkeit, vor allem aber heben sie die örtliche Bindung auf. Während das ständige Erreichbarsein von so manchen eher als Fluch denn als Segen gesehen wird, birgt die Unabhängigkeit von einem fixen Arbeitsplatz auch Vorteile. Manchmal eröffnet ein Ortswechsel völlig neue Perspektiven, sorgt für Kreativität und neue Energie. Wer nicht am gewohnten Arbeitsplatz arbeitet, nimmt in der neuen Umgebung vollkommen neue Reize wahr, festgefahrene Gedanken werden aufgelockert und meist arbeiten wir konzentrierter und effizienter, wenn wir nicht an unserem angestammten Schreibtisch sitzen. Keine Arbeitskollegen, die ablenken, kein Lärmpegel, der stört. Der Fokus ausschließlich auf das eigene Tun gerichtet.
Arbeitsurlaub
Die digitale Vernetzung hat auch unser Urlaubsverhalten beeinflusst. Die Kombination von Arbeit und Urlaub – Workation als Kofferwort zwischen work und vacation genannt – bietet dabei völlig neue Möglichkeiten. Diese zwei Begriffspaare scheinen erst einmal unvereinbar oder gar ein Gegensatz zu sein. Auch wenn es auf den ersten Blick wenig attraktiv klingen mag, seinen Urlaub mit Arbeiten zu verbringen, so kann es seine Vorteile haben, sich auch während des Urlaubs bewusst Auszeiten für die Arbeit zu nehmen – quasi als Gegenentwurf zu kurzen Rückzugsmomenten während des Arbeitsalltags. Workation zielt folglich darauf ab, beide Pole miteinander zu vereinen.
Denn seien wir ehrlich: Fast jeder checkt während des Urlaubs zwischendurch seine Mails oder macht sich Gedanken über To-do-Listen und die Aufgaben, die nach der Urlaubszeit auf einen warten. Das kann mitunter zu Irritationen beim Gegenüber führen, wenn man zwar körperlich am Pool anwesend ist, gedanklich aber nicht. Es macht also durchaus Sinn, sich bewusst zurückzuziehen, um die restliche Zeit unbeschwert und ohne Ablenkung gemeinsam verbringen zu können. Somit kann auch die Zusammen-Zeit viel entspannter und gelöster erlebt werden. Mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass man seinen Aufenthalt gegebenenfalls verlängern kann, weil man Geschäftliches ohnehin vor Ort bereits erledigt. So können Eltern mit ihren Kindern vielleicht sogar drei anstatt bisher nur ein oder zwei Wochen in die Ferien fahren und wertvolle Familienzeit miteinander erleben.
Eine Welt voller Möglichkeiten
Workation in seinen Ursprüngen richtete sich zunächst fast ausschließlich an digitale Nomaden wie Selbstständige oder Freelancer, also Gruppierungen, die ohnehin keinen fixen Arbeitgeber hatten und bei denen der Arbeitsort sohin keine Rolle spielte. Sie haben quasi einfach – kurzfristig – woanders gearbeitet, auf stillen Berghütten oder in chicen Hotels, von denen aus man nach getaner Arbeit noch flugs ins Meer springt. Weil sie als Einzelkämpfer in ihrem Alltag generell meist allein arbeiteten und der soziale Aspekt von Arbeit sohin auch in der Heimat zu kurz kam, entstanden im Laufe der Zeit immer mehr Coworking-Spaces. Menschen mögen es bekanntlich gesellig. Nicht immer, aber zumindest ab und an.
Inmitten der Atmosphäre eines Coworking-Spaces entfaltet sich eine Welt voller Möglichkeiten und gemeinschaftlicher Inspiration. Hier verschmelzen die Grenzen zwischen Arbeit und Gemeinschaft, Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen, Talenten und Perspektiven treffen aufeinander. Diese Vielfalt schafft ein Netzwerk von Fachleuten, das es ermöglicht, voneinander zu lernen, Synergien zu nutzen und innovative Ideen zu entwickeln. Diese Vielfalt stellt aber auch die Architektur vor Herausforderungen. In der Regel können Coworker je nach ihren Bedürfnissen und Vorlieben zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen wählen – sei es ein temporärer Arbeitsplatz auf der Durchreise, ein Schreibtisch zur Dauermiete, ein kreativ-sozialer Gemeinschaftsbereich, abgeschirmte Nischen und beruhigte Zonen oder ein Besprechungsraum für Teamprojekte. Das verlangt nach offenen Grundrissen und flexiblen Arbeitsbereichen, die funktional und zugleich motivierend und inspirierend sind. Coworking-Spaces kommen deshalb meist stylisch, jung und lebhaft daher. Gerne auch bunt und vielgestaltig. Als urban-alpiner Sammelpunkt bietet vor allem Innsbruck eine lebendige Coworking-Szene, aber auch in vielen anderen Ecken Tirols werden Digital Natives fündig. Vor allem in Osttirol findet sich mittlerweile eine ganze Reihe an Coworking- und Workation-Räumen. Nicht ganz ohne Grund. Der Weg von Ost- nach Nordtirol ist nicht immer unbeschwerlich, mit entsprechend flexiblen Arbeitsplatzangeboten spart man viel an Weg und Zeit. Und weil’s in Osttirol echt schön ist, kommt man hier als Gast ebenso gerne her und bleibt dann mit Freude mitunter auch länger.
Die Kombination aus allem zusammen nennt sich übrigens Co-Workation. Dann treffen Menschen unterschiedlichster Façon an meist recht entspannten Orten aufeinander, um dort ihre Arbeit zu erledigen und sich gleichzeitig zu vernetzen, Ideen auszutauschen und um gemeinsam Spaß zu haben. Das passiert oft in Form von organisierten Reisen, so genannten Retreats, in denen Personen, die normalerweise in unterschiedlichen (Coworking)-Räumen oder Büros arbeiten, zusammenkommen, um intensiv an Projekten zu arbeiten, und quasi immer an festeingerichteten Destinationen, schon allein deshalb, weil es für diese Art des Arbeitsurlaubs – architektonische und technische – Grundvoraussetzungen braucht, damit beides, also (Co-)Work und Vacation, sinnvoll funktioniert. In Tirol bietet sich dafür zum Beispiel der Kesslerstadel in Osttirol an. Sensationell sind der Mesnerhof-C in Steinberg am Rofan (im Bild), ein sehenswertes Bauerngehöft aus dem 17. Jahrhundert, das Georg Gasteiger zu einem Arbeitsplatz für kreative, urbane Menschen gemacht hat, oder die Collis Hill Mountainlodge von Katrin Polentz in Kals, die einen Berg an Möglichkeiten bietet. Rund eine Stunde davon entfernt liegt im Osttiroler Anras der liebevoll und aufwändig sanierte Kollreiderhof der Besitzerfamilie Stuchtey. Mit ihm ist ein Stück gebaute Entschleunigung entstanden und damit ein Ort, der perfekt ist für konzentriertes, effizientes Arbeiten, aber auch Raum lässt zur Entspannung. So soll Arbeiten letztlich sein – nicht nur beim Co-Workationing, sondern eigentlich immer.
Text: Marina Bernardi
Fotos: Werner Neururer