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Life

Es ist, was es ist

9.9.2022

Nach seiner Ausbildung in der Villa Blanka in Innsbruck kehrte Johannes Nuding Tirol recht schnell den Rücken. Er war Praktikant bei Johann Lafer, arbeitete bei Johanna Maier, ging ins kulinarische Epizentrum nach Paris und kochte sich dort unter Joël Robuchon in die klassisch französische Haute Cuisine ein. Als er auf Kochlegende Pierre Gagnaire stieß, blieb er über ein Jahrzehnt an dessen Seite – in Paris, Moskau und zuletzt in London, wo er Chefkoch des hochdekorierten „Sketch – The Lecture Room and Library“ in Mayfair war. Seit Eckart Witzigmann ist Johannes Nuding der erste gebürtige Österreicher, der vom Guide Michelin mit drei Sternen belohnt wurde. Nun ist der 36-Jährige zurück in der Heimat. Im Schwarzen Adler in Hall. „Ich mochte das internationale Leben, das war super“, sagt Nuding, „aber die sozialen Kontakte bleiben auf der Strecke. Man hat seine Arbeitskollegen, doch richtige Freundschaften lassen sich nicht knüpfen, wenn sich quasi das gesamte Leben um die Arbeit dreht. Wenn man jung ist, ist das genial, aber irgendwann war es an der Zeit, erwachsen zu werden.“

Die Zeit, in der das gesamte Leben in zwei Koffer passt, hat ein Ablaufdatum. Nicht zuletzt wegen der zwei Kinder, die er mit seiner Frau Lilit hat, die aus derselben Branche, wenngleich einem anderen Bereich kommt. Während Johannes Nudings Reich die Küche ist, ist ihres der Service. Zusammen beschlossen sie, sesshaft zu werden und ein gemeinsames Projekt zu starten. Zu des Tirolers Glück sollte Hall der neue Lebensmittelpunkt sein: „Wir haben uns gefragt, wo unser Zuhause sein soll. Wir können überall arbeiten, aber es war uns wichtig, einen Ort zu haben, an dem wir ankommen können.“

Nur kein Kopfweh

Und hier ist er nun, in seinem Schwarzen Adler, den Nudings Onkel Werner als gelernter Drechsler geholfen hat, entsprechend umzubauen. Lilit hat sich ums Interieur gekümmert. Das Bistro Secco ist schon länger geöffnet, mit dem Restaurant ist man im Juli gestartet – vorerst freitags und samstags mit Option auf zwei weitere Tage. „Es kommt, wie es kommt“, sagt Johannes Nuding. Schritt für Schritt. In der Küche steht Nuding mit Thomas Leitner ein nicht minder begabter und international erfahrener Koch zur Seite. Auch er ist ein Schüler Gagnaires und kulinarisch sohin auf einer Wellenlänge. Und auch er ist ein Heimkehrer, stammt er doch ursprünglich aus Sellrain.

Während es im Secco leger zugeht mit Kaffee, feinen Weinen und jahreszeitenpassenden Häppchen, steht der Schwarze Adler nunmehr für Fine Dining, dem kulinarischen Ziehvater entsprechend frankophil angehaucht. Auch im Keller. „Natürlich sind uns österreichische Weine wichtig, wir möchten auch die Stilistik von Italien abdecken, das Hauptaugenmerk liegt aber klar auf Frankreich“, so Nuding, der damit durchwegs in des Tirolers Herz trifft.

Das traditionelle Haus umzubenennen, stand für Nuding übrigens nie zur Debatte: „Das Haus hat eine jahrhundertelange Geschichte und Tradition. Ich fand es nicht richtig, den Namen zu ändern. Überhaupt halte ich mich nicht für so wichtig, als dass ich meinen Namen auf die Fassade schreiben müsste.“

eco.nova: Sie haben, bevor Sie nach Hall zurückgekehrt sind, weltweit in Tophäusern gekocht. Haben Sie Angst, dass Ihnen die Welt in Tirol doch zu klein wird?

Johannes Nuding: Nein, die habe ich nicht. Wir haben uns bewusst zu diesem Schritt entschieden und sind von Beginn an gut eingedeckt mit Arbeit. Wir haben innerhalb kurzer Zeit mit dem Secco als Bistro und dem Schwarzen Adler als Fine Dining zwei Konzepte etabliert, an denen wir nun weiterarbeiten. Es ist eine andere Welt als der Sterne-Zirkus, aber eine ebenso schöne. Wir wollen uns diesbezüglich kein Kopfweh machen.

Wie ist Ihr kulinarischer Zugang?

Das Secco ist entspannt und unkompliziert. Es gibt eine spritzige Weinkarte und gutes Zillertal Bier, man kann sich hier auch auf Kaffee und Kuchen treffen. Kulinarisch servieren wir feine Kleinigkeiten, angepasst an die Jahreszeiten. Im Sommer waren es vorrangig kalte Gerichte, erfrischend marinierter Salat, Ceviche, gerne auch ein hochwertiger Rohschinken. Im Winter werden wir das Lokal ein wenig verändern, auch architektonisch, weil wir die Leute ja nach innen holen müssen. Auch die Karte wird dann entsprechend angepasst. Im Schwarzen Adler servieren wir freitags und samstags ein Menü, das wir laufend wechseln. Meine Küche ist sehr von der Natur und der Saison inspiriert. Es gibt, was es gibt. Was in der Heimat wächst, beziehen wir natürlich von hier, dazu kommen internationale Spezialitäten und Produkte, mit denen wir unsere Gäste auf eine kulinarische Reise mitnehmen wollen. Sie sollen bei uns Neues ausprobieren und kennenlernen können. Unsere Gäste sind sehr neugierig und lassen sich gerne auf die Gerichte ein. Sie sind Genießer und vielfach kulinarisch erfahren, es freut uns, wenn wir sie auf eine neue Weise überraschen können.

Wie oft wechselt folglich das Menü?

Wöchentlich. Wir schreiben die endgültige Karte erst, wenn die Gäste quasi schon vor der Tür stehen. Kürzlich haben wir spontan am Donnerstag noch Eierschwammerl bekommen, die wir freitags gleich zu einem Gang verarbeitet haben. Wir gehen auf den Bauernmarkt und schauen, was es gibt. Wenn mein Fischhändler tolle Ware hat, kommt sie auf die Karte, wenn der Jäger im Wald erfolgreich war, gibt’s Wild. Deshalb können wir den Leuten bei der Reservierung gar nicht sagen, was es geben wird, weil wir es teilweise selbst noch nicht wissen. Es kann durchaus passieren, dass wir das Menü in letzter Minute noch einmal umstellen. Wir wollen dem Gast nur die beste Qualität und höchste Frische servieren. Es gibt immer einen roten Faden durchs Menü, doch der lässt stets Platz für Interpretationen und Raum für Neues.

Das ist ein sehr sportlicher Zugang. Wie viele Gänge werden denn pro Menü serviert?

Ja, es ist eine Herausforderung. Ich habe mit Thomas Leitner allerdings einen extrem talentierten Koch an der Seite, mit dem diese Spontaneität funktioniert. Wir sind stilistisch total auf einer Wellenlänge und ergänzen uns hervorragend. Das ist sehr wertvoll. Wir haben im Schnitt je nach Tischanordnung 30 Plätze und servieren ein viergängiges Menü, das in der Summe mit sämtlichen Amuse Bouche und Zwischengängen eigentlich zehn bis zwölf sind. Wir schicken schon zum Aperitif – gern an der Bar – die ersten Gerichte raus, bei uns ist auch das Brot ein eigener Gang, weil es uns wichtig ist, diese Kultur zu zelebrieren. Natürlich wird es von uns selbst gebacken.

Wenn Sie selbst essen gehen, sind Sie als Gast eher kritisch oder nachsichtig?

Wenn jemand für mich kocht und ich nicht selbst aufräumen muss, bin ich in erster Linie extrem dankbar. Ich bin keiner, der nach Fehlern sucht, letztlich muss man aus dem Lokal rausgehen und das Gefühl haben, dass es gepasst hat. Wenn ich essen gehe, kommt es mir vor allem auf die Gesellschaft an. Ich habe gerade in London oft erlebt, dass Gäste zu uns kamen, die sich in diesem Ambiente nicht wohl gefühlt, die hier eigentlich nicht hingehört haben, aber eingeladen wurden, um sie zu beeindrucken. In solchen Momenten kann das Essen noch so gut sein, der Gast wird es nicht genießen können. Ein guter Abend braucht die richtigen Menschen, wenn dann auch noch das Essen und die Weine passen, ist es perfekt.

Kann man als Koch Gerichte kochen, die man selbst nicht mag?

Ja, das kann man und wird man – je nachdem, wo man arbeitet – manchmal auch müssen. Für mich persönlich ist das keine Option, Gott sei Dank schmeckt mir aber auch fast alles. Wenn man mit Liebe kocht, wenn es um Details geht, um Fingerspitzengefühl, um das Spiel aus verschiedenen Aromen und Texturen, ist es natürlich hilfreich, wenn man gerne isst, was man kocht.

Sie sind im heurigen Sommer mit dem Secco und dem Schwarzen Adler gestartet. Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?

Es gibt viele Pläne, zunächst ist es wichtig, die Konzepte zu verankern und zu optimieren. Wir haben keinen fixen Fahrplan, sondern schauen, was passiert. Vorerst geht es darum, uns zu stabilisieren und in weitere Folge mehrere Öffnungstage zu haben. Im Moment ist Lilit freitags und samstags im Service, was mir sehr wichtig ist, mit zwei kleinen Kindern ist es aktuell allerdings schwierig, mehrere Tage dranzuhängen, deshalb braucht es künftig mehr Personal. Wir möchten auch den Weinkeller entsprechend einrichten und aufstocken, zum Winter hin wird das Bistro umgestellt … Es gibt viel zu tun und wir freuen uns drauf.

Text: Marina Bernardi

Foto: Andreas Friedle

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