Behutsam zupft Helmut Eder ein paar Haare aus einem Bündel und legt sie auf ein langes Brett. Ein Dutzend vielleicht. Und dann mit etwas Abstand noch einmal ein Dutzend. Und noch eines. Und noch eines … Danach gibt er die Haarbüschel in eine Art Pipette, klopf damit auf den Tisch. Das sogenannte „Stoßen“, so erklärt er, sei besonders wichtig. Dann bindet er die Haare mit feinem Zwirn zwei Mal zusammen und legt sie wieder hin. Auch diese Arbeit wiederholt er unzählige Male. Bis er diese kleinen Büschel zu einem Gamsbart wird binden können, werden Stunden vergehen. Und noch mehr, bis das Kunstwerk fertig ist. Bis zu 130 Stunden benötigt er für die ganz großen Prachtstücke, 20 bis 30 für die kleineren.
Eine besondere Trophäe
Helmut Eder war 45 Jahre lang Berufsjäger in Achenkirch, heute ist er Pensionist. Gamsbärte zu binden, ist allerdings kein Hobby, das er im Ruhestand angefangen hat. Er bindet schon seit 30 Jahren. Das brachte die Jägerei so mit sich, erzählt er: „Wenn man im Herbst eine Gams geschossen hat, dann hat die einen Bart gehabt. Und da habe ich es halt probiert.“
Schon sein Vater – ebenfalls Berufsjäger – hat gebunden. Von ihm konnte sich Helmut Eder ein bisschen abschauen, wie man einen Gamsbart herstellt. Wobei Bart eigentlich irreführend ist, denn tatsächlich handelt es sich um die etwas längeren Haare, die eine Gämse am Rücken entlang der Wirbelsäule, am sogenannten Aalstrich, hat. Auch Bärte aus Hirschhaaren gibt es. Die seien aber, sagt Eder, weniger populär. Traditionell ist das Tragen eines Gamsbartes am Hut eher im bayerischen Raum beheimatet, in Tirol tragen ihn vor allem Jäger, so Eder: „Wenn Jäger ein bestimmtes Tier geschossen haben, wollen sie oft gerne einen Bart davon.“ Wobei eine Gämse für einen Bart nicht reicht. Es müssen mindestens fünf sein, bei einem großen sogar zehn bis 15.
Ein Mal Olympiagold
Helmut Eder begann also mit dem Binden und eignete sich nach und nach die Tricks und Kniffe an, die ein solches Prachtstück ausmachen. Viele habe er für Kollegen gemacht, die ihm die Haare brachten und so manchen trägt er natürlich selbst. Auch an der berühmten Gamsbart-Olympiade in Mittenwald hat er einige Male teilgenommen und einmal sogar die Goldene geholt. Die Auszeichnung, die er dafür bekommen hat, ist – wie sollte es anders sein – ein hölzerner Gamsbock. Die hat er in den Vorraum gestellt. Sein Arbeitsraum ist voll mit Pokalen, die er in jungen Jahren als sogenannter Ranggler – eine Art – errungen hat. Wie viele Gamsbärte Eder im Laufe der Jahre insgesamt gemacht hat, kann er nicht sagen: „Es werden schon einige sein.“ Heute bindet er, wozu er „leicht Zeit hat, aber anhängen lass ich mich nicht“.
Und dann greift Helmut Eder wieder zu einem Büschel Haare und bindet sie an eine dünne Eisenstange. Ganz stramm muss der Faden dabei sein, schließlich soll die Pracht ja nicht verlorengehen. Mehrmals prüft er, ob das neue Büschel tatsächlich nicht über die vorher gebundenen hinaus steht: „Das ist Millimeterarbeit.“ Das Nachtrimmen mit der Schere wäre strengstens verboten. Ist der Bart schließlich fertig, wird er gekämmt und in eine Metallhülse gesteckt. Manche der Teile sind so schwer, dass sie eine eigene Drahtbefestigung am Hut brauchen. Aber das macht nichts, denn schließlich will der Träger ja beeindrucken. Da muss man schon ein bisschen „leiden“ dafür.
Text: Uwe Schwinghammer
Fotos: Andreas Friedle
Aus: Seezeit Winter 2022