Durch die Coronakrise und die damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheiten haben die Österreicher mehr gespart. Das ist in Krisen nicht ungewöhnlich. Die Sparzinsen sind aber bekanntermaßen historisch niedrig. Das bedeutet, dass das Geld, das man spart, nicht nur nicht mehr wert wird, sondern sogar an Wert verliert. Berücksichtigt man die Inflation, ist das Sparbuch schon seit 2010 unterm Strich ein Verlustgeschäft, wiewohl es nach wie vor bei den heimischen Sparern die mit Abstand beliebteste Anlageform ist.
Der Ruf der Österreicher, Wertpapiermuffel zu sein, hängt wohl auch damit zusammen, dass den Wertpapieren – und Aktien gehören zu dieser Gattung – nach wie vor mit einigem Misstrauen begegnet wird. Das mag wohl damit zu tun haben, dass rasch der Begriff der Spekulation im Raum steht, wenn von Wertpapieren und der Börse die Rede ist. Der Laie sieht im Wertpapiergeschäft mitunter etwas Geheimnisvolles, schwer zu Fassendes, für Sachkundige dagegen ist das glatte Börsenparkett eine Spielwiese, auf der im Idealfall das eigene Kapital wächst und gedeiht.
Die Entstehung der Wertpapiere hängt mit der zunächst europäischen Eroberung der Weltmeere zusammen. Die Seerouten wurden hauptsächlich genutzt, um exotische Gewürze und andere Waren aus fernen Weltgegenden nach Europa zu bringen. Die Schifffahrt war teuer und risikoreich. Deshalb schlossen sich im Jahr 1602 holländische Reeder und Kaufleute zur ersten Aktiengesellschaft (AG) der Welt zusammen, zur „Vereinigten Ost-Indischen Compagnie“. An die Aktionäre bzw. Anteilseigner – im Englischen Shareholder genannt – wurden Anteilsscheine bzw. Aktien an der gemeinsamen Unternehmung ausgegeben. Auch damals wurden an die Anteilseigner bereits Dividenden ausbezahlt, allerdings nicht in Geld, sondern in Form von Naturalien. Das konnte ein Sack Pfeffer sein oder eine bestimmte Menge eines anderen Gewürzes. Das Modell „Aktiengesellschaft“ begann sich zu verbreiten. Die Anteilseigner konnten ihre Anteile frei handeln, eintauschen oder verkaufen.
In Österreich war es erst über 200 Jahre später so weit. Zwei Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1816 war die Oesterreichische Nationalbank die erste Aktiengesellschaft, die an der Wiener Börse gehandelt wurde. Bis zum heutigen Tag hat die Aktie stürmische und unruhige Zeiten hinter sich, was auch mit den beiden Weltkriegen zusammenhängt. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland wie in Österreich hat auch mit dem Comeback der Aktiengesellschaften zu tun, die zu Triebfedern des sogenannten Wirtschaftswunders wurden. Nicht wenige der damals entstandenen Aktiengesellschaften gelten heute als sogenannte Blue Chips bzw. Standardwerte. Das sind Aktien von Großunternehmen, die sich durch hohe Bonität, Ertragskraft und Substanzwerte auszeichnen.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts war die Aktie der heutigen Erscheinungsform schon sehr ähnlich. Die Industrialisierung, die teuer war und besonders viel Kapital brauchte, trieb die Bildung von Kapitalgesellschaften voran. Unternehmen begannen verstärkt, Aktien und Anleihen auszugeben. Auch bei den Anleihen gilt wie bei anderen Wertpapieren, dass höheres Risiko mit höherer Verzinsung einhergeht. Die Emittenten mit einer schlechteren Kreditwürdigkeit versprechen höhere Zinsen, da sie nur dadurch das Geld der Anleger bekommen. Diese setzen darauf, dass die Unternehmen – oder im Fall von Staatsanleihen auch Staaten – das geliehene Geld zurückzahlen werden können. Anleihen sind im Gegensatz zum Tagesgeld bzw. Sparbuch eher als langfristige Anlageform zu sehen, weil der Verkauf vor Ende der Laufzeit nicht selten mit einem Verlust verbunden ist.
Neben Aktien und Anleihen zählen auch Zertifikate und Optionsscheine, Fonds und ETFs bzw. Indexfonds zu den gängigen Wertpapierarten. Zertifikate und Optionsscheine sind aufgrund ihres hohen Risikos nur erfahrenen Anlegern, die mit einem Totalverlust umgehen können, anzuraten. Bei den sogenannten Derivaten wird es außerdem schnell unübersichtlich, kompliziert und mitunter sogar dubios. In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 haben Kreditderivate eine entscheidende Rolle gespielt.
Investmentfonds werden von eigens dafür geschaffenen Unternehmen, sogenannten Kapitalanlage- bzw. Investmentgesellschaften, verwaltet. Anleger können sich bereits ab relativ kleinen Beträgen beteiligen. Investmentfonds sammeln das Geld von Anlegern. Dieses Kapital wird dann vom Fondsmanager an den Finanzmärkten für die Anleger investiert. Der Vorteil eines Fonds liegt in der Risikostreuung. Es wird nicht nur in eine Aktie oder in eine Anleihe investiert, sondern in viele. Das Geld, das Anleger bei einem Fonds anlegen, ist sogenanntes Sondervermögen. Bei einer Pleite der Fondsgesellschaft ist es geschützt. Die Konkurssicherheit betrifft die Fondsanteile an sich, die im Fonds enthaltenen Wertpapiere unterliegen Kursschwankungen und sonstigen Risiken. Es kann auch zu Ausfällen von Wertpapieren kommen, was sich nachteilig auf die Wertentwicklung des Fonds auswirken kann.
Was sich anhand der Geschichte der Wertpapiere zeigen lässt, ist, dass es beim Sparen bzw. Veranlagen ohne jegliches Risiko keinen Gewinn (mehr) gibt. Das kann jeder Sparer mittlerweile selbst beobachten. Es scheint daher gerade in Zeiten wie diesen geboten, sich nach Alternativen umzusehen, damit aus dem sauer verdienten Geld nicht automatisch weniger wird. Der Sparstrumpf ist jedenfalls keine Alternative, dafür gibt es weder Zinsen noch eine Einlagensicherung. Kreditinstitute bieten auch für Laien, die sich in die Welt der Wertpapiere wagen wollen, heute eine breite Angebotspalette, die mit guter Aufklärung und Beratung Anlagemöglichkeiten mit guten Renditeerwartungen bei überschaubaren Risiken bietet.
Text: Marian Kröll