ECO.NOVA: Employer Branding, zu Deutsch etwas sperrig auch Arbeitnehmermarkenbildung genannt, ist ein Modebegriff geworden. Im Gegensatz zum eher zufällig entstehenden Arbeitgeberimage geht es beim Employer Branding um die gezielte Gestaltung dieser Wahrnehmung eines Unternehmens als Arbeitgeber. Wer sind die Adressaten für diesen absichtsvollen Prozess?
MARTINA KOHLBERGER: Employer Branding ist derzeit tatsächlich ein großer Hype, das Thema ist an sich aber nicht neu. Es geht wesentlich nicht nur darum, potenzielle zukünftige Mitarbeiter*innen für ein Unternehmen zu begeistern, sondern vor allem auch die, die schon da sind. Nachdem laut aktuellen Studien derzeit drei von vier Unternehmen einen Fachkräftemangel bzw. Shortage of Talent beklagen, wird uns Employer Branding weiterhin begleiten und an Bedeutung noch zunehmen.
Es ist sogar vom War for Talents, vom Kampf um die besten Talente, die Rede.
Diesen Begriff gibt es schon sehr lange – ich halte ihn für sehr unangebracht.Bereits seit 2014 hat ein Drittel der Unternehmen einen Fachkräftemängel beklagt, dies hat sich in den letzten Jahren weiter verstärkt. Mit Blick auf die demografische Entwicklung wird der Pool an arbeitsfähigen Personen in Österreich trotz Bevölkerungswachstums prognostiziert auch zukünftig mit rund fünf Millionen Menschen relativ stabil bleiben. Und selbst das wird nur mit Zuwanderung geschafft, weil die Geburten zurückgehen. Das Arbeitskräfteangebot wird jedenfalls nicht größer.
Eine gute Arbeitgebermarke darf also das The-ma Diversity bzw. Inklusion zugewanderter Menschen nicht außen vor lassen?
Wir haben vor zweiJahren hier am Institut einen für Unternehmen freizugänglichen Stelleninserate-Decoder (jade.or.at,siehe Factbox) entwickelt, der Unternehmen hilft, zu überprüfen, welche Zielgruppen sie mit ihrenInseraten ansprechen. Wir haben untersucht, was eher Frauen und was eher Männer anspricht, wasJüngere und was überwiegend Ältere. Dieses Projektwerden wir jetzt um eine weitere Diversitätsdimension, nämlich die ethnische Zugehörigkeit, erweitern und uns ansehen, welches Wording Menschen mit Migrationshintergrund anspricht. Hier gibt es noch großes Potenzial, weil Stellenanzeigen längst nicht so inklusiv sind, wie man sie wahrscheinlich haben möchte. Es geht darum, diese Potenziale zu heben. Es wird immer von einem Arbeitskräftemangel gesprochen, dabei glaube ich, dass tatsächlich viel eher ein Mangel an Idealkandidatinnen und -kandidaten, zumindest in den Vorstellungen vieler Arbeitgeber*innen, herrscht. An Leuten, die eine exakt auf die ausgeschriebene Stelle passende Ausbildung haben, über ein paar Jahre Erfahrung verfügen – aus Kostengründen jedoch nicht zu viel, und auch sonst flexibel sind und in 40-Stunden-Anstellung arbeiten wollen. Es gibt aber viele Menschen, die man mit angepassten und geänderten Voraussetzungen, mit Job- bzw. Leadership-Sharing oder mit Qualifikationsprogrammen gewinnen könnte.
Es ist also mehr Flexibilität vonseiten der Unter-nehmen gefragt?
Es sind zunehmend individuellere Lösungen gefragt. Neben den traditionellen Beschäftigungsverhältnissen kommen immer mehr Fluid Workers, Gig Workers, Freelancers, also atypische Beschäftigungsverhältnisse, auf den Markt. Da gäbe es zusätzliches Potenzial.
Haben Sie konkrete Tipps, wie sich Unternehmen vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Arbeitskräftepotenzials inklusiver aufstellen können?
Die Inseratengestaltung mag zwar ein kleiner Puzzlestein sein, der aber sensibilisieren kann, Kandidatinnen und Kandidaten anzusprechen, die man bisher vielleicht noch nicht so im Blickfeld gehabt hat. Es lohnt sich auch, sich Beförderungsprozesse im Unternehmen anzusehen und Personen aktiv an-zusprechen, die zwar geeignet wären, sich aber das selbst vielleicht nicht zutrauen. Ein wichtiges Thema ist auch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Gibt es eine Präsenz- oder aber eine Zielerreichungskultur im Unternehmen? Das würde Personen sichtbarer machen, die ihre Leistung bringen, aber nicht täglich nine to five im Büro sein können. Präsenz ist für sich genommen noch kein Wert, obwohl das noch vielfach so gesehen wird.
Ist Employer Branding denn ein reines Marketingthema?
Employer Branding ist im Human-Resource-Be-reich angesiedelt, aber ich glaube, es geht immer stärker um die richtige Kommunikationsstrategie. Darum, wie man als Unternehmen am besten seine Werte, seinen Purpose, seine USP vermittelt, welche Kanäle man bespielt, um die Zielgruppen zu erreichen. Es ist gut möglich, dass Employer Branding zukünftig verstärkt im Bereich der Unternehmenskommunikation angesiedelt sein wird. Letztlich greift gutes Employer Branding aber tiefer – es geht um die Frage der Unternehmenskultur.
Gibt es einen Kardinalfehler, den man beim Employer Branding keinesfalls machen sollte?
Employer Branding ist eine langfristige Sache. Es bringt wenig, nur kurzfristig Initiativen zu setzen und sich sofort Resultate zu erwarten. Man kann sich außerdem nicht längerfristig auf einer Marke ausruhen, sondern muss sie fortwährend pflegen. Wie angedeutet ist dieAußenwirkung nur eine Seite und vielleicht gar nicht die wichtigste. Es geht darum, die Arbeitgebermarke auch nach innen zu pflegen und weiterzuentwickeln: Was macht ein Unternehmen als Arbeitgeber*in besonders. Es soll sowohl dazu beitragen, neues Personal zu gewinnen als auch bestehendes Personal in der Entscheidung für das jeweilige Unternehmen zu bestärken.
Beginnt ein Unternehmen neu mit dem Employer Branding, ist es dann besser, sich am Bestand zu orientieren oder an Zielvorstellungen, wie das Unternehmen von außen gesehen werden soll?
Dazu gibt es in der Literatur unterschiedliche Ansätze. Einer davon lautet: “Purpose is only as strong as employees and other stakeholders believe in it.” Es ist okay, eine Zielvision auszugeben, die realistisch und glaubwürdig ist. Jedoch: Ist ein Unternehmen zum Beispiel in der Tabakindustrie tätig, wird es in Sachen Purpose (Sinngehalt der Arbeit, Anm. d. Red.) realistisch sein müssen und nicht behaupten können, eine bessereWelt zu schaffen.
Was macht aus Ihrer Sicht eine erfolgreiche Kommunikation und Aufladung der eigenen Arbeitgebermarke aus?
Klarheit und Konsistenz. Je klarer, eingängiger und konsistenter kommuniziert werden kann, desto besser. Das hilft auch dabei, Komplexität zu reduzieren, und ist sowohl für bestehende als auch zukünftige Mitarbeiter*innen gut zugänglich.
Sie haben die Bedeutung von konsistenter Kommunikation hervorgehoben. Unternehmen stehen mit potenziellen und aktuellen Mitarbeitern, Kunden und allenfalls Shareholdern unterschiedlicheGruppen gegenüber, die teils unterschiedliche Interessen verfolgen. Müssen sich da die Botschaften nicht fast zwangsläufig manchmal voneinander unterscheiden?
Hebt man das auf die Metaebene, muss die Message grundsätzlich dieselbe bleiben. Ich hatte unlängst ein Gespräch mit einem Unternehmen, das sehr stark auf ökologische Nachhaltigkeit setzt. Das will man nun zum Beispiel auch in der Personalpolitik stärker verankern und herunterbrechen.
Ist die Arbeitgebermarke deckungsgleich mit der Unternehmensmarke?
Gleich ist sie nicht, aber man sollte zumindest erkennen, dass es sich um dasselbeUnternehmen handelt. Manche Unternehmen sprechen Kund*innen und potenzielle Bewerber*innen sehr ähnlich an.
Darf man in der heutigen Zeit noch etwas dem Zu-fall überlassen, was die eigene Arbeitgebermarke betrifft?
Employer Branding ist mittlerweile in vielen, vor allem größeren Unternehmen sehr stark professionalisiert, ja geradezu orchestriert. Auch dessen muss man sich als Bewerber*in zu einem gewissen Gradbewusst sein. Gerade Marken, die große finanzielle Möglichkeiten haben, überlassen ihre Arbeitgebermarke nicht dem Zufall.
Die Tiroler Unternehmenslandschaft ist stark vonKlein- und Mittelunternehmen geprägt, die Employer Branding nicht so ressourcenintensiv betreiben können. Was ist für diese Unternehmen das richtige Mittel, um ihrer Arbeitgebermarke etwasGutes zu tun?
Die eigenen Mitarbeiter*innen zu aktivieren, weil diese letztlich die allerbesten Markenbotschafterinnen und -botschafter für jedes Unternehmen sind. Etwas Besseres kann einem Unternehmen nicht passieren als ein zufriedener Mitarbeitender, der denBetrieb weiterempfiehlt. Das wirkt authentisch und ist daher von höchstem Wert.
Interview: Marian Kröll