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Wirtschaft

Wert schätzen

1.6.2023

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Damit erzählen wir Ihnen nichts Neues. Es wäre auch eigenartig, wäre sie es nicht. Immer schon hat sich Arbeit verändert, angepasst, teils neu erfunden. Der industrielle und technologische Fortschritt hat seit jeher Berufsbilder verschwinden und neue entstehen lassen und jede Generation hat sich in irgendeiner Weise von der vorhergehenden emanzipiert. Neu ist, dass diese Veränderungen immer schneller vonstatten gehen.

Doch nicht nur die Art der Arbeit verändert sich, sondern auch die Art, wie wir arbeiten. Arbeit wird flexibler, unabhängiger. Mit dem eklatanten Fachkräftemangel und der händeringenden Suche nach Arbeitskräften kehrt sich außerdem das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und -nehmer immer mehr um. Das heißt, dass sich Unternehmen heute noch mehr als bisher um ihre Mitarbeiter*innen bemühen müssen. Das hat zur Folge, dass sich nicht mehr nur Arbeitnehmer*innen verkaufen müssen, auch Arbeitgeber*innen müssen es. Employer Branding ist der Begriff dazu, um gute Mitarbeiter*innen auf der einen Seite erst einmal zu finden und sie auf der anderen Seite – dauerhaft – zu halten. Denn auch wenn Arbeit mittlerweile projektbezogener ist, die Vielfalt an Möglichkeiten es erlaubt, sich auszuprobieren und Jobs quasi im Jahrestakt zu wechseln, so ist es im ureigensten Interesse eines Unternehmens, Mitarbeiter*innen und damit gewachsenes Know-how langfristig im Unternehmen zu halten. Um das zu erreichen, braucht es mehr als ein angemessenes Gehalt – eine faire Bezahlung setzen wir an dieser Stelle voraus. Nebst den Hard Facts geht es um weiche Faktoren, ums Wohlfühlen und Wertschätzung. Kein Arbeitgeber ist für das persönliche Glück seiner Mitarbeiter*innen zuständig, unnötig schwer machen muss man es ihnen aber auch nicht. Letztlich verbringen wir während unseres Erwerbslebens vielfach mehr Zeit in der Arbeit und mit Kolleg*innen als mit dem eigenen Partner. Ist man in der Arbeit unzufrieden, hat das zwangsläufig Auswirkungen auf das gesamte Leben.

Wertschätzung ist keine Einbahnstraße

Es gibt eine Vielzahl an Kriterien, die einen „guten“ Arbeitgeber ausmachen. Mit Theorie allein kommt man in diesem Punkt nicht weiter, deshalb haben wir mit jenen gesprochen, die es wissen müssen – den Mitarbeiter*innen nämlich, die teils über Jahrzehnte in ihrem Unternehmen tätig sind, sich von der Lehre nach oben gearbeitet haben oder ihren Eltern gefolgt sind. Die Quintessenz aus all diesen Gesprächen: Geld allein macht nicht glücklich, ohne Geld ist es allerdings auch nichts. Während monetäre Anreize jedoch meist nur kurzfristig wirken, ist für eine langfristige Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung vor allem eines wichtig: Wertschätzung – und zwar auf beiden Seiten. Und es geht um Sicherheit, Vertrauen sowie persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Ein Paradebeispiel dafür, wie es funktionieren kann, ist Swarovski Optik in Absam. Hier investiert man in höchstem Maße in die Qualität der Produkte ebenso wie in den Standort und die Mitarbeiter*innen. Das Unternehmen feiert im kommenden Jahr sein 75-jähriges Bestehen und ist seit Anbeginn kontinuierlich gewachsen.

Swarovski Optik blickt auf eine erfolgreiche Geschichte zurück und hat es dabei stets geschafft, seine Mitarbeiter*innen über all die Jahre und durch sämtliche Veränderungen mitzunehmen. Derzeit arbeiten in Absam knapp 900 Menschen, weltweit sind es zirka 1.100. Viele davon sind seit Jahr(zehnt)en im Unternehmen tätig, teilweise arbeiten Familien seit Generationen hier. Gerhard Mosers Opa zum Beispiel war schon bei Swarovski Optik, er selbst leitet derzeit das Energiemanagement, seine Tochter Julia ist Elementarpädagogin im Betriebskindergarten Wichtelwald. Diese wiederum lernte Hendrik Auer schon als Kleinkind ebendort kennen, der heute als Lehrling im Unternehmen ist, angespornt durch seinen Vater Matthias Auer, zuständig unter anderem für die Qualitätskontrolle in der Mechanik und außerdem seit 20 Jahren im Betriebsrat. An viel kann sich Hendrik aus seiner Kindergartenzeit nicht mehr erinnern, unbewusst scheint aber doch einiges hängen geblieben zu sein. „Ich habe bei Swarovski Optik geschnuppert und es hat mir sofort gefallen“, sagt er. „Also bin ich dageblieben.“ Auch Ing-Mari Auer, Mutter von Matthias und folglich Oma von Hendrik, war von 2003 bis 2008 in Absam tätig und ist heute in Alterspension. Ihr ist es zu verdanken, dass Matthias Schwedisch spricht und deshalb das Unternehmen regelmäßig auf Messen und Veranstaltungen in Skandinavien vertritt. Auch Reinhard und Daniel Anfang arbeiten als Vater und Sohn bei Swarovski Optik – Reinhard seit 1979, Daniel seit 2004.

Dass dem so ist, kommt nicht von ungefähr. „Als ich angefangen habe, waren wir eine wirklich tolle Mannschaft und wie eine Familie. Dann ist das Unternehmen gewachsen und was soll ich sagen: Es ist trotz der gestiegenen Anzahl an Mitarbeitern immer noch ein Familienbetrieb geblieben. Auch wenn man nicht mehr jeden Einzelnen kennt, ist das Miteinander großartig. Alle ziehen an einem Strang“, sagt Reinhard Anfang, Assistenz der Produktionsleitung und verantwortlich für das Forcam MES. Elementarpädagogin Julia Moser sieht das ähnlich: „Für mich ist das Schöne der Zusammenhalt, die Menschen, die hier arbeiten. Gerade für mich im Kindergarten ist der emotionale Aspekt enorm wichtig.“ Und Vater Gerhard Moser ergänzt: „Ich bin ja nun schon etwas länger hier als du, fast 40 Jahre, und kann das nur bestätigen. Über die Jahre sind richtig gute Freundschaften entstanden, es ist ein blindes Verstehen und gegenseitiger Respekt und wir dürfen in einem wahnsinnig tollen Umfeld arbeiten. Das muss man sich immer wieder in Erinnerung rufen und auch als Mitarbeiter wertschätzen.“ Zudem sei es ein sicherer Arbeitsplatz, so Reinhard Anfang. „In all den Jahrzehnten war das Gehalt immer pünktlich am Konto. Und egal, welches Problem man hat, man bekommt Unterstützung – auch privat. Das schafft Vertrauen. Als ich 1979 angefangen habe, dachte ich, hier werde ich nicht alt. Die Arbeit in der Dreherei war früher echt hart. Über die Zeit hat sich das Arbeiten verändert, ich habe vier Generationen an Maschinen mitgemacht und auch das Unternehmen hat sich laufend verändert. Man wächst mit und lernt nie aus, heute sind wir bei der Digitalisierung angelangt. Stehenbleiben geht nicht, sonst kämen keine derart hochwertigen Produkte zustande, wie sie aus unserem Unternehmen kommen. Es geht um Qualität und jeder hier herinnen arbeitet dafür.“

Hört man den sechs beim Reden zu, schwingt in jedem Satz ein klein wenig Stolz mit, bei Swarovski Optik zu arbeiten. „Ich bin ab und zu bei Events und Veranstaltungen dabei“, erzählt Matthias Auer. „Kürzlich war ich bei einer Jagdmesse in Schweden und habe auch seitens der Kunden eine enorme Wertschätzung erfahren. Es kamen viele Jäger auf mich zu, haben mir auf die Schulter geklopft und sich für unseren Service und unsere Arbeit bedankt. Das ist schon lässig, wenn man dieses Lob den Mitarbeitern zuhause ausrichten kann.“

Eine runde Sache

Diese Loyalität ist zu einem großen Teil dem Mindset des Führungsteams geschuldet, das Mitarbeiter nicht als reine Kostenstellen ansieht, sondern ihren Wert kennt und anerkennt, dass sie es sind, die letztlich den Erfolg mittragen und ausmachen. Swarovski Optik investiert seit Jahren aktiv in den Standort, in das Unternehmen und in Weiterentwicklung. Es herrscht nie Stillstand, es geht immer weiter und die Mitarbeiter*innen wissen, dass das Unternehmen auch für sie den nächsten Schritt geht. Selbstverständlich geht es auch bei Swarovski Optik um Kennzahlen, Wirtschaftlichkeit und Performance, denn nur das bietet die Möglichkeit für Investitionen, zu wachsen und neue Perspektiven aufzumachen. Gleichzeitig ist über die Jahre aber auch eine authentische, ehrliche Unternehmenskultur gewachsen, den die sechs den „Swarovski-Optik-Geist“ nennen. „Wenn man eine gute Idee hat und diese entsprechend kommuniziert, wird auch ein Budget dafür frei gemacht. Das motiviert natürlich, sich Gedanken über die Weiterentwicklung zu machen und darüber, wie man Abläufe effizienter oder besser gestalten könnte“, sagt Daniel Anfang, Kostenstellenleiter Oberfläche. Dass er bei Swarovski Optik gelandet ist, ist im Übrigen zu einem großen Teil seinem Vater zu verdanken: „Ich habe nur Gutes über die Firma von Papa gehört. Und der Arbeitsweg ist kurz, in nur zehn Minuten bin ich zu Fuß da. Da brauchte es keinen Plan B.“

Die Möglichkeiten im Unternehmen sind jedenfalls groß und breit gefächert. Die Mischung aus selbst ausgebildeten Mitarbeiter*innen, die von der Lehre weg aufgebaut und hier groß wurden, sowie Input von außen ist bunt, auch wenn es trotz vorbildlicher Arbeitsbedingungen und eigenen Lehrlingswerkstätten auch für Swarovski Optik schwieriger wird – und das betrifft vor allem die technischen Bereiche –, entsprechende Mitarbeiter*innen zu finden. „Wir müssen in den nächsten Jahren noch mehr darauf schauen, dass wir selbst gute Facharbeiter ausbilden“, so Matthias Auer. Der Schritt, mit dem Wichtelwald einen eigenen Betriebskindergarten zu implementieren und damit den Nachwuchs quasi von klein auf ins Unternehmen zu integrieren, war deshalb wohl nicht unklug. Vor allem aber geht es darum,mit dem eigenen Kindergarten einen Beitrag zur Work-Life-Balance der Eltern zu leisten. „Ich finde es schön, dass wir den Kleinen diese Achtsamkeit und Achtung voreinander, die bei Swarovski Optik herrscht, schon im Kindergarten mitgeben können. Wir dürfen sie einen Teil ihres Lebens in dieser Stimmung, in dieser Gemeinschaft begleiten“, so Julia Moser. „Wir versuchen das natürlich auch jedem neuen Mitarbeiter von Anfang an mit auf den Weg zu geben.“

Jeder Mitarbeiter sieht sich als Teil des Ganzen, identifiziert sich mit dem Unternehmen – das geht tatsächlich nur mit ehrlichem Interesse am Menschen. Begegnet man seinen Mitarbeiter*innen mit Wertschätzung und Empathie, sind diese bereit, auch die Extrameile zu gehen und sich für das Unternehmen überdurchschnittlich einzusetzen. Unabhängig vom Alter übrigens. Bei einer derart sensiblen und komplexen Arbeit wie der Entwicklung und Produktion hochwertiger Fernoptiken braucht es konzentrierte Mitarbeiter*innen, die jede Sekunde präziseste Nanometerbereich leisten. Das funktioniert in einem Umfeld, in dem man sich wohlfühlt, bedeutend besser – und langfristig vermutlich nur dort. Das lässt sich auch auf die meisten anderen Berufe umlegen.

Wert(e)haltig

Nachhaltigkeit ist heute vielfach zum Marketingsprech verkommen, macht aber à la longue nur Sinn, wenn man sie wirklich lebt. „Bei uns hat der Begriff eine ganz vielschichtige Bedeutung“, erklärt Gerhard Moser. „Wir haben ein nachhaltiges Produkt, das 40, 50 Jahre überdauert, wir sind nachhaltig in der Produktion, bauen etwa laufend die Photovoltaikanlagen aus oder nutzen die entstehende Abwärme, Ressourcen werden effizient eingesetzt und Recycling betrieben. Wir versuchen, bei allen Mitarbeitern ein Bewusstsein dafür zu entwickeln.“ Hinzu kommt der soziale Aspekt der Nachhaltigkeit, der maßgeblich dafür verantwortlich ist, Mitarbeiter*innen für ein Unternehmen zu begeistern und sie auch in unsicheren Zeiten mit sicherer Hand zu navigieren. Während der Finanzkrise 2008 oder der Coronapandemie zum Beispiel. „Wir wussten nicht, was auf uns zukommt und was wirtschaftlich passieren wird. Gemeinsam haben wir es geschafft, in der Pandemie haben wir sogar zu den Profiteuren gezählt, weil die Menschen die Natur wiederentdeckt haben“, sagt Matthias Auer. Besonders in Erinnerung ist ihm geblieben, als das Fernglas EL Ende der 1990er-Jahre so richtig durchgestartet ist. Bei Birdern und Jägern ist es mittlerweile zur Legende geworden: „Wir wussten, dass wir ein Topprodukt haben, aber dass es ein derartiger Welterfolg werden würde, damit haben wir nicht gerechnet. Auch das Zielfernrohr Z6 war eine solche bahnbrechende Entwicklung. Auf Messen wollte plötzlich jeder einmal durchschauen. In solchen Momenten merkt man: Zusammen haben wir etwas Tolles geschaffen.“ What goes around comes around.

Letztlich sind zufriedene Mitarbeiter die besten Multiplikatoren. Es gibt wohl keine bessere Werbung für ein Unternehmen als zufriedene Mitarbeiter, die das auch nach außen tragen. Damit sie das tun, braucht es allerdings einen offenen, ehrlichen und respektvollen Umgang im Innen – unabhängig von Branche oder Position. In der Printausgabe finden Sie weitere Positivbeispiele zum Thema.

Text: Marina Bernardi

Fotos: Andreas Friedle

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