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Wirtschaft

Die liebe Familie

2.2.2023

Was ist anders, wenn die Eltern einen Betrieb führen, der in der Kindheit zum zweiten Wohnzimmer wurde? Was ist die Triebfeder, wenn ein Unternehmen nicht gegründet, sondern übernommen wurde? Wie lebt es sich mit der geerbten Verantwortung und wie funktioniert das Neben- und Miteinander, wenn die Vorsicht der Alten auf den Mut der Jungen prallt, die Gewohnheiten aus Jahrzehnten auf den Wunsch nach Veränderung? Letzteres wird vor allem in der Phase der Übergabe gewahr. Genau mit dieser beschäftigt sich Markus Weishaupt. Die initiale Begeisterung für die komplexe Welt der familiengeführten Unternehmen hat er von seinem Vater übernommen, dessen Leidenschaft für die Arbeit ihn seit Kindeszeiten prägte. Nach unterschiedlichen beruflichen Stationen ist Markus Weishaupt 2008 als Partner in das auf Familienunternehmen spezialisierte Südtiroler Beratungsunternehmen Weissmann eingestiegen und ist seither als Berater für meist international agierende Unternehmerfamilien vorrangig in Österreich, Italien und der Schweiz tätig.  In seinem Buch „Radikal anders“ hat er die DNA erfolgreicher Familienunternehmen entschlüsselt, im Zuge dessen auch ein geordneter Nachfolgeprozess eine entscheidende Rolle spielt. Fast folgerichtig zeigen sich in der Begleitung so vieler Unternehmen auch die Fallstricke der Übergabe innerhalb der Familie. So unterschiedlich und individuell jedes Unternehmen zu betrachten ist, so tun sich doch einige erkennbare Muster hervor, die allen gemein sind. Das hat Weishaupt dazu veranlasst, auch diese in Buchform zu verpacken. Er hat dafür nicht das Format eines klassischen Sachbuches gewählt, sondern nimmt wahre Begebenheiten aus seiner beruflichen Praxis, aus denen er 36 immer wiederkehrende Fehler ableitet, mit dem Ziel, sich deren bewusst zu werden und sie folglich in der eigenen Geschichte zu vermeiden. Dietmar Gamper hat jedes Kapitel mit passenden Illustrationen bereichert. Ein Gespräch über Fehler und wie man sie vermeiden kann.
 
eco.nova: Oft machen Familienunternehmen in der Übergabe aus dem Bauch heraus das Richtige, manche lassen sich von Externen begleiten. Ab und an geht’s aber auch schief. Vor allem, wenn in einem Unternehmen noch stark patriarchalische Systeme herrschen, wird es schwierig. Was sind Ihrer Erfahrung nach die häufigsten Stolpersteine bei der Übergabe innerhalb der Familie?
Markus Weishaupt: Ein Muster, das sich immer wieder als Problem für die Entwicklung von Familienunternehmen identifizieren lässt, ist die vermeintliche Unsterblichkeit. Das Gefühl der Seniorchef*innen, unersetzlich zu sein, schadet dem Unternehmen ab einem gewissen Zeitpunkt. Wenn die Nachfolge nicht rechtzeitig in die Wege geleitet wird, hat die folgende Generation Probleme bei der Übernahme. Was auffällt, ist: Je länger Unternehmen existieren und je häufiger diese schon mit Nachfolgeprozessen konfrontiert waren, desto einfacher wird im Normalfall auch die Übergabe. Zu den weiteren augenscheinlichen Unterschieden zählt die reduzierte Schriftlichkeit in Familienunternehmen. Das bedeutet, dass unternehmensinterne Rollen, Entscheidungsbefugnisse und Nachfolgeregelungen selten schriftlich festgehalten werden. Aus reiner Mündlichkeit entsteht mannigfaltiger Interpretationsspielraum und erschwert dadurch das Schaffen von Verbindlichkeit. Fehlinterpretationen können die zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Unternehmen lähmen. Und wenn familieninterne Entscheidungsprozesse als sehr intime Familienphänomene wahrgenommen werden, wird die Hürde, sich externe Hilfe in Form einer Beratung zu suchen, groß.
 
Sie fordern unter anderem auch mehr Gerechtigkeit innerhalb der nachfolgenden Generation ein. Was meinen Sie damit?

Gerade Nachfolgeprozesse müssen meiner Erfahrung nach zwei Kriterien entsprechen, um langfristig akzeptiert zu werden: Einerseits sollen sie für jeden Beteiligten subjektiv gerecht sein, andererseits darf die Nachfolge auch objektiv „nicht ungerecht“ sein. Damit ist gemeint, dass die Erbschaftswerte, die aus dem Unternehmen und anderen Werten bestehen, gerecht unter den Nachfolger*innen aufgeteilt und bestimmte Personen nicht überzogen überproportional bedacht werden. Ungerechte Entscheidungen rächen sich früher oder später.
 
Was unterscheidet Familienunternehmen von Unternehmen, die in keinerlei Verwandtschaftsbeziehungen verstrickt sind?
Ganz einfach ausgedrückt: „Die Familie“. Schon bei der längerfristigen Ausrichtung des Betriebs zeigen sich grobe Unterschiede. Familienunternehmen orientieren sich selten an einer expliziten Profitmaximierung. Stattdessen geht es häufiger um gesellschaftsrelevante Aspekte und Wertehaltungen sowie risikoangepasste, konstante Rendite. Der Anspruch nach einem guten Ruf und gesellschaftlicher Reputation rückt mehr in den Mittelpunkt, als es in anderen Unternehmen der Fall wäre.
 
Die manchmal große Anzahl an potenziellen Entscheidungsträger*innen sowie die unklare Aufteilung von Entscheidungsbefugnissen führen häufig zu Stagnation in familiengeführten Unternehmen. Wie können derartige Pattsituationen aufgelöst beziehungsweise von vornherein verhindert werden?
Einerseits stellen Familienverfassungen ein sinnvolles Tool für die Festlegung künftiger Entwicklungsprozesse in Familienunternehmen dar, vor allem dann, wenn viele Familienmitglieder im Betrieb involviert sind oder das Unternehmen eine bestimmte Größe hat. Um Konflikten in Nachfolgeprozessen vorzubeugen, eignen sich schriftlich definierte Abmachungen, die nach Möglichkeit in die Satzung der Unternehmen und in Gesellschafterverträgen übernommen werden. Damit schafft man neben der moralischen auch eine rechtliche Verbindlichkeit. Je demokratischer Entscheidungsprozesse konzipiert sind, desto mehr Ebenen der Unternehmenshierarchie müssen miteinbezogen werden. Es braucht also ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Inklusion und Exklusion in Entscheidungsprozessen. Allerdings lässt sich kein generelles Erfolgsrezept für die Aufteilung der Entscheidungshoheit in Familienunternehmen ableiten, jedes Unternehmen ist auf individuelle Lösungen angewiesen.
 
Macht es Ihrer Erfahrung nach Sinn, die Themen Eigentum und Führung voneinander zu trennen und zum Beispiel einen externen Geschäftsführer zu etablieren?
Es bietet sich an, die beiden Bereiche zumindest konzeptionell voneinander zu trennen. Das schafft interessante Möglichkeiten in der Nachfolge-Governance. So wird auch eine externe Geschäftsführung durchaus zu einer denkbaren Option. In vielen Fällen erfolgreicher Familienunternehmen werden operative Entscheidungen einer externen Geschäftsführung überlassen, die auch mit der Entwicklung der Unternehmensstrategie beauftragt wird.
 
Gibt es in Bezug auf die Eigenheiten und Probleme von Familienunternehmen kulturelle Unterschiede?
Im Grunde zeigen sich viele Parallelen und es lassen sich zumindest für die westliche Welt allgemeine Muster erkennen, wenn es um häufig auftretende Schwierigkeiten geht, mit denen Familienbetriebe konfrontiert sind. Trotz aller Gemeinsamkeiten, die ich in meinem Buch herauszufiltern versuche, gibt es länderspezifische Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie eine Art Nord-Süd-Gefälle, wenn es um die Altersstruktur der Unternehmenslenker*innen geht. Während in den meisten westlichen Ländern ab einem gewissen Alter von Seniorchef*innen erwartet wird, dass sich diese aus dem Unternehmen zurückziehen und eine geordnete Übergabe in die Wege leiten, gibt es in so genannten Emerging Markets und in südlicheren Ländern kaum Restriktionen in Bezug auf das Alter. Selbst im greisen Alter halten Unternehmer*innen dort nicht selten höchst strategische Entscheidungsbefugnisse.

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