In schnelllebigen Zeiten voller Massenproduktion, Fast Fashion und (virtueller) Künstlichkeit wird das eigene Zuhause immer mehr zu jenem Ort, der uns auffängt, beschützt und in dem wir uns wohl und angekommen fühlen. Zum Ort, wo wir einfach sein dürfen, wie wir sind. So geht auch die Einrichtung seit geraumer Zeit weg von der strengen Coolness und dem Purismus, der uns Anfang der 2000er einige Jahre begleitet hat, hin zum Wohlfühlwohnen, in dessen Mittelpunkt Natürlichkeit und Authentizität stehen.
Wohntrends gibt es heute ungefähr so viele verschiedene wie Charakterunterschiede bei den Bewohner*innen. Vom Vintage-Design über den Happy Chic bis zu Hygge, Yapandi und dem Skandi-Style im Allgemeinen war und ist so ziemlich alles dabei, was die Stilpalette hergibt. Und das ist gut so, weil Wohnen schließlich etwas ganz Persönliches ist. Was vielen Wohnstilen gemein ist: Mit ihnen zieht die Natur ins eigene Zuhause – in Form von Leder oder Naturstein, wolligen Textilien, Accessoires aus Bast oder Gräsern … und Holz in allen erdenklichen Varianten. Wobei sich Letzteres in immer neuen, überraschenden Formensprachen präsentiert, geradlinig oder verspielt, opulent oder filigran und alles dazwischen.
Die Eleganz der Schlichtheit
Was in abgemilderter Form von der vergangenen teils kargen Strenge geblieben ist, ist der Trend zum Minimalismus. In der Kunst strebt Minimalismus nach Objektivität, schematischer Klarheit, Logik und Entpersönlichung. In der Architektur wohnte ihm eine einfache Formensprache und lange der fast völlige Verzicht auf dekorative Elemente inne. So strikt zeigt sich der neue Minimalismus heute nicht mehr, vielmehr geht es um ein achtsameres, sortiertes und leichteres Leben und eine damit einhergehende beruhigende Ordnung, die uns im hektischen Alltag ein Stück Sicherheit und Geborgenheit zurückgibt.
Dem traditionellen Minimalismus des „Weniger ist mehr“ liegt eine ziemlich asketische Denkweise zugrunde, das andere Ende des Spektrums bildet ein extrem konsumorientierter Lebensstil. Der neue Minimalismus beschreibt den Mittelweg. „Wir würdigen die Bedeutung materieller Dinge für unser Leben. Wir schätzen Schönheit, Textur und Farben in unserem Zuhause. Wir wissen, wie viel Freude unsere Lieblingstasse macht. Wir kennen die angenehme Wirkung eines geliebten Pullovers. Wir genießen die Kunst, die ohne praktischen Nutzen auskommt, aber unsere Seele berührt“, schreiben etwa Cary Fortin und Kyle Quilici in ihrem Buch „Simplify your Home“. Trotzdem geht es nicht ums Viel, sondern ums Richtige. So fordert der New Minimalism dazu auf, sich achtsam und bewusst mit dem eigenen Lebensstil auseinanderzusetzen und Beziehungen und Erfahrungen einen größeren Wert beizumessen als materiellen Dingen. Was nicht heißt, in einer Konservenbüchse hausen zu müssen. Und dass es nicht zwischendurch auch opulent werden darf oder farbenfroh. Im Gegenteil. Plaids und Pölster sorgen für kuschelige Üppigkeit, auch voluminöse Vorhänge dürfen wieder sein, Tapeten geben Wänden eine spannende Struktur und Lampen und Leuchten sorgen nicht nur für die optimale Lichtstimmung, sondern werden auch selbst gern zum Styleobjekt. Von denen darf es übrigens ruhig ein paar ausgewählte mehr in der Wohnung geben. Die Kreativität der Designer scheint in Form und Farbe derzeit quasi uneingeschränkt. Rohe, neolitische Oberflächen, skulpturale Formen, handgeflochtene, organische (Knoten-)Optiken, glänzender Lack, röhrenförmige Strukturen … stellenweise darf dem Minimalismus auch Wohnen maximal entgegengesetzt werden. Wichtig: Wo Quantität, da Qualität!
Im kommenden Einrichtungsjahr stehen auch starke Farben wieder ganz hoch im Kurs. Dabei darf es durchaus fancy werden. Schon am heurigen Salone del Mobile in Mailand waren ungewöhnliche Formen, knallige Farben und ein feiner Sinn für Ironie zu sehen. Zusammengefasst unter „funky Design“ wird das Leben richtig bunt und fröhlich. Das kann man im Moment wahrlich brauchen.
Text: Marina Bernardi
Fotos: House Doctor, By Nord