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Wirtschaft

Mut zum Risiko

9.2.2021

Die Coronakrise wirkt faktisch in alle Bereiche des Lebens und Wirtschaftens. Sie schränkt uns ein und zeigt Grenzen auf. Dinge, die bisher vielfach verborgen im Argen lagen, werden gewahr und kommen an die Oberfläche. Vieles von dem, was sich nun offenbart, ist nicht schön. Krisen halten uns gerne den Spiegel vor, aus dem uns unverblümt entgegenblickt, was wir lange nicht sehen wollten. Doch Krisen haben auch ihr Gutes: Sie verstärken nämlich nicht nur Negatives. Sie zeigen uns im Gegenzug, wie kraftvoll wir sein können, wenn wir uns auf unsere Stärken besinnen.

Das MCI ist als Unternehmerische Hochschule® vorrangig Ausbildungsstätte, mit seiner Expertise und Forschungstätigkeit dazu eng mit der Wirtschaft verwoben. Rektor Andreas Altmann über Unternehmenskultur, Erfolg und Mut.

eco.nova: Es gibt Unternehmen, die bei Gegenwind den Kopf in den Sand stecken und hoffen, das Übel möge an ihnen vorüberziehen, andere sehen eine Chance, neue Themenfelder für sich zu eröffnen. Was macht Unternehmen erfolgreich?

Andreas Altmann: Erfolg ist vorrangig eine Sache der Unternehmenskultur, eine Einstellung und Haltung und am Ende auch eine Frage der Struktur. Es gilt die alte Weisheit: A-Leute versuchen A-Leute um sich zu scharen, B- hingegen C-Leute. Erfolgreich zu sein heißt, von anderen zu lernen und miteinander zu wachsen. Das bedeutet auch, andere Meinungen auszuhalten und gegebenenfalls seine eigene zu revidieren, anzuerkennen, dass ein anderer Weg vielleicht der bessere ist als der eigene. Führungskräfte sind nicht selten verleitet, sich mit Ja-Sagern zu umgeben. Das ist verständlich und nachvollziehbar – nicht nur seitens der Führung. Man sagt jemandem viel lieber, was auf der anderen Seite als angenehm empfunden wird. Das ist zum einen Höflichkeit, zum anderen befürchtet man sich unbeliebt zu machen. Wichtig ist, eine Kultur zu etablieren, die verschiedene Ansichten nicht nur zulässt, sondern in der es offen erwünscht ist, seine Meinung zu sagen. Das verlangt von beiden Seiten Offenheit und Stärke: Von dem, der seine Meinung sagt, und dem, der sie gesagt bekommt. 


Kann man Unternehmertum lernen? 

Viele Werkzeuge kann man zu bedienen lernen, doch es braucht ein bestimmtes Mindset, um Dinge anzupacken. Das beginnt bereits in der Kindheit und zieht sich durchs ganze Leben. Es geht darum, Menschen zu ermutigen, Dinge tatsächlich zu unternehmen und auf sich selbst und seine Fähigkeiten zu vertrauen. Wenn einem die ganze Kindheit lang suggeriert wird, dass man bestimmte Dinge ohnehin nicht könne – und womöglich nie können wird –, ist es im späteren Leben vermutlich zu spät, dieses Selbstvertrauen aufzubauen. Dann wird auch das Erlernen der „handwerklichen“ Grundlagen und Instrumente eines Unternehmertums zu relativ geringen Ergebnissen führen.

Im Moment geistert gerne das Wort „Achtsamkeit“ durch viele Berichte. Unternehmer erkennen – teilweise überraschend plötzlich – den Wert ihrer Mitarbeiter. Corona hat uns quasi alle ins selbe Boot gesetzt, wodurch Grenzen vermeintlich aufgelöst werden und damit auch strikte Hierarchien. Glauben Sie, dass wir wirklich achtsamer werden im Umgang miteinander? 

Zum einen glaube ich, dass gute Unternehmen und kompetente Führungskräfte den Wert ihrer Mitarbeiter schon immer erkannt haben. Zum anderen finde ich es interessant, dass man glaubt, im Zuge der Krise würden sich Hierarchien auflösen und Strukturen automatisch durchlässiger oder homogener. Ich sehe eigentlich das Gegenteil. Durch den Lockdown wurden soziale Kontakte extrem eingeschränkt – privat und durch Homeoffice auch beruflich. Es gibt Menschen, die können damit psychisch einigermaßen umgehen. Doch es gibt auch die anderen, jene, die weniger stabil und gefestigt sind. Die letztere Gruppe tut sich schwer, Schritt zu halten, und droht weiter abzusinken, nicht wenige drohen in Zeiten der Isolation lau, mut- und antriebslos zu werden, ihnen fehlt die gewohnte Struktur, fehlen Vorgaben, Pläne und Meilensteine, Handlungsanleitungen und Zeitgerüste. Insofern erzeugt die Situation, die wir jetzt erleben, eher Destabilisierung, weil sie Menschen sich selbst überlässt und gewissermaßen „vergisst“.


Ein Unternehmen zu gründen, ist immer mit Mut verbunden, weil man nie wirklich weiß, wohin die Reise tatsächlich geht. Wie würden Sie für sich Mut definieren? 

Mut ist verkürzt gesagt die Bereitschaft zu scheitern. Dasselbe gilt auch für Innovation. Beides gehört untrennbar zusammen. Durch Innovation kann es passieren, dass man sich damit im eigenen Unternehmen selbst kannibalisiert, weil neue Technologien oder Produkte alte vom Markt verdrängen. Damit geht zwangsläufig einher, sein bisheriges Modell teilweise oder gänzlich abzuschaffen bzw. durch etwas anderes abzulösen. Es ist jedoch unerlässlich, sich laufend neu zu erfinden. Was letztlich zählt, ist einzig und allein, was uns am vielversprechendsten für die Zukunft scheint. Das ist Innovation und braucht Mut, Risikobereitschaft und Leadership.


Wir bewegen uns langsam, aber doch in Richtung einer Gesellschaft, die dieses Scheitern auch zulässt. Dennoch kann das Scheitern ja nicht Ziel einer Unternehmung sein. Wo ist die Grenze zwischen Mut und Übermut?

Etwas neu anzufangen inkludiert immer die Gefahr, dass manches nicht oder nicht sofort funktioniert. Wer etwas wagt, kann gewinnen oder verlieren. Wer nichts wagt, kann langfristig nur verlieren. Blind ins Abenteuer zu rennen, bringt natürlich nichts und kann nicht die Botschaft sein. Ohne Risikobereitschaft sind Unternehmertum und Erfolg jedoch unmöglich.


Interview: Marina Bernardi
Fotos: Andreas Friedle

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