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Life

Geschliffene Kunst von Format

30.9.2022

Im Hinterhof eines Hauses an einer Durchzugsstraße im kleinen Wipptaler Ort Matrei am Brenner tut sich eine eigene kleine metallische Welt auf, eine Art Skulpturenpark en miniature. In der Sonne schimmernder und blitzender Edelstahl dominiert das Sichtfeld. Hier lebt und arbeitet der Künstler Anton Amort, gelernter Kunstschmied und Schlossermeister, passionierter Metallbildhauer und leidenschaftlicher Maler, kurzum ein vielseitig begabter Mann. Amort entstammt einer Familie von Huf- und Wagenschmieden, welche die Arbeit mit Metall seit Generationen im Blut haben.

BEWEGUNG UND FORM

„Schlank, von klaren Linien gekennzeichnet und in die Höhe strebend“ charakterisiert der Künstler die Grundausrichtung seiner mittlerweile zahlreichen Skulpturen, die im öffentlichen Raum zu sehen sind. Die wohl größte und imposanteste, die je die Werkstatt in Matrei verlassen hat, steht an der Brennerautobahn bei Nösslach. Neun Meter ist sie hoch, ein auf einen schwarzen Betonsockel aufgepflanztes Gedenkkreuz aus Edelstahl mit einem Mosaik in der Mitte.

Amort schlägt in seinen Skulpturen gerne die Brücke zwischen dem menschgemachten Edelstahl und Gestein, das in Millionen Jahren unter dem Druck der Erdkruste entstanden ist. Der blaue Granit hat es ihm besonders angetan. Und jene Steine, die er direkt vor der Haustür, an der Sill, findet. In seiner Kunst geht es Amort auch um Beständigkeit. „Edelstahl ist beständig, er ist schwer zu bearbeiten und verzeiht keine Ungenauigkeiten“, sagt der Künstler, der die ästhetischen Qualitäten des Materials mit dem Handwerklichen zu verbinden weiß.

Damit eine solche Skulptur im Freien wirken könne, brauche sie ein gewisses Format. „Meine Skulpturen, die im öffentlichen Raum aufgestellt sind, sind überwiegend drei bis vier Meter hoch. Es braucht eine gewisse Größe, damit sie wirken können, und obwohl es sich preislich nicht immer ausgegangen ist, habe ich sie entsprechend groß gemacht“, sagt der Künstler und lacht dabei verschmitzt. Amort ist – um einen Gemein- platz in Künstlerbiografien zu bemühen – Künstler mit Leib und Seele. Die Kunst ist seine Berufung. Sie ist eine mächtige Muse, ein wirtschaftliches Zuckerschlecken ist sie für freischaffende Künstler bekanntermaßen nicht. „Die Kunst ist ein hartes Brot, aber sie macht sehr viel Spaß und ich wüsste nichts anderes, was ich lieber machen würde“, sagt Amort. Dass gerade die Kunst der öffentlichen Hand weniger wert zu sein schien als klassische Wirtschaftszweige, wurde in der Pandemie sichtbar. Das Füllhorn ließ man längst nicht so üppig über Künstler herabregnen wie über andere Unternehmungen. Der Wind wird insgesamt rauer, das gilt besonders für große Kunstwerke, wie der Matreier sie macht.

DIE NATUR ALS LEHRMEISTER

Die Skulptur ist das Steckenpferd Amorts, die größte Ausdrucksform seiner Kunst. Neben Stahl, Bronze und Stein spielt auch Holz zunehmend eine Rolle. Auch deshalb, weil Holz dem Künstler noch größere Ausdrucksfreiheiten gibt als der Stahl. Anton Amort zeichnet außerdem seit vier Jahrzehnten mit großer Begeisterung Akt. Fähigkeiten wie die virtuose Strichführung, die zwischen zart, hart und zerbrechlich oszilliert, und das perspektivische Sehen, das er sich dabei angeeignet hat, beeinflussen auch seine Skizzen für neue Skulpturen und Stelen. „Aktzeichnen ist nicht einfach. Man muss dabei besonders genau hinsehen und gut im Strich sein“, erklärt Amort. Die Erfahrung bringt es mit sich, dass man im Laufe der Zeit immer weniger Striche braucht, um einen Körper darzustellen. „Am Anfang macht man beim Aktzeichnen noch mehr Striche, und irgendwann lernt man, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“, so der Künstler, in dessen Skulpturen es auch um das Wesentliche geht, um die Form und die Bewegung, die man in der Natur allerorten wahrnehmen kann, wenn man offenen Auges durch die Welt geht. Künstlerische Vorbilder, denen er nacheifert, hat er keine, einen nie versiegenden Quell der Inspiration dagegen schon: „Mein Lehrmeister ist ohne Frage die Natur.“

Im Laufe der Zeit sind unzählige Entwürfe und Skizzen entstanden, die in den Werkstattschränken nur darauf warten, hergezeigt oder umgesetzt zu werden. Die Umsetzung großer Skulpturen ist im doppelten Wortsinn nicht leicht. Die Stelen, Skulpturen und Brunnen bzw. deren Einzelteile wiegen mitunter einige Hundert Kilogramm. Das ist für den 60-Jährigen eine zunehmende Herausforderung, der er sich so lange stellen will, bis der Körper irgendwann nicht mehr mitspielt. Dann wird sich Amort wohl verstärkt der Malerei widmen.

MIT DER FLEX GEMALT

Der Künstler arbeitet sich an einer Symbiose ab, in der sich Metallbearbeitung und Malerei begegnen und nahtlos ineinander übergehen. „Schleifbilder“ nennt Anton Amort diese interessanten Arbeiten. Als Untergrund bzw. Trägermedium für diese Bilder dient eine NiRoStaPlatte, nichtrostender Stahl, auch Edelstahl genannt. Das ist angesichts der sonstigen Materialpräferenzen des Künstlers nur konsequent. „Das Aktzeichnen hilft mir auch bei diesen Schleifbildern, die nach Akribie verlangen“, sagt Amort, der nach der Gravur der Grundlinien mit dem Winkelschleifer „malt“.

Fotorealismus ist mit der Flex kaum zu verwirklichen, dennoch scheint es genau dieser zu sein, dem Amort sich mit seinen geschliffenen Bildern nähern möchte. Hauptsächlich sind es die heimischen Gebirge, die er – meist von einem selbst gemachten Foto aus – ins Metall überträgt. Serles, die Drei Zinnen, den Großglockner und viele andere bekannte und weniger bekannte heimische Berge hat Amort derart schon ins Metall gebannt. An andere Motive hat er sich noch nicht herangewagt. Das hängt auch mit der Befürchtung zusammen, dass womöglich ein Porträt ins Kitschige hinüberkippen könnte. „Nach Porträts wurde ich schon öfter gefragt. Einen Akt sollte ich wohl tatsächlich einmal probieren“, sagt Amort, um sogleich relativierend anzufügen: „Schauen wir einmal.“ Man wird sehen.

Der Berg in der Landschaft hat es dem Wipptaler auch deshalb angetan, weil er für das Schleifbild ein sehr dankbares Motiv abgibt, das mit dem Einfallswinkel des natürlichen oder künstlichen Lichts lebt und sich – gleich wie die echte Landschaft – verändert und immer wieder neue Facetten offenbart. Dementsprechend wirken Amorts Metallbilder im rechten Licht betrachtet auch erstaunlich dreidimensional. Und durchaus imposant, wie man anhand eines drei Meter langen Schleifbilds der Nordkette besichtigen kann. „Ein großes Schleifbild, das seine Erscheinung je nach Lichteinfall ändert, würde – eingelassen in eine Wand aus Sichtbeton – besonders gut zur Geltung kommen“, glaubt Amort, dem dafür Liftstationen vorschweben. Bislang hat sich das noch nicht ergeben, aber was nicht ist, kann noch werden.

Im Garten des Künstlers lagern noch allerlei Steine, Hölzer und Metalle, Material, das nur darauf wartet, geschickt und kunstvoll miteinander verbunden und zueinander in Bezug gesetzt zu werden. Amort hat sich auch daran versucht, Schaltafeln mit der Motorsäge zu bearbeiten, ihnen unterschiedliche Strukturen beizubringen und sie anzumalen. Das sieht ebenso unkonventionell wie interessant aus. An Ideen mangelt es dem umtriebigen Künstler gewiss nicht, ebenso wenig wie an der Neugierde, immer wieder Neues zu versuchen. „Ich bräuchte drei Leben, damit ich alles tun kann, was mir einfallen würde“, meint der Künstler, dessen letzter Akt noch lange nicht gezeichnet ist, dessen letztes Monument noch lange nicht errichtet und dessen letztes Bild noch längst nicht gemalt oder geschliffen ist.

Von Amorts Vielseitigkeit kann man sich nicht nur im öffentlichen Raum ein Bild machen, sondern auch direkt in Matrei, wo er sich im Untergeschoss eine kleine, aber feine Galerie eingerichtet hat, in der nebst seinen eigenen Werken auch Fotografien von Sohn Christoph, der als Fotograf und Filmemacher reüssiert, zu sehen sind. Ein Ausflug ins Wipptal lohnt sich also allemal. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei Amort in der Werkstatt gerade die Funken fliegen, und mindestens genauso gewiss, dass der Funke der Begeisterung vom Künstler auf den Kunstinteressierten überspringt.

Text und Fotos: Marian Kröll

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