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Life

Die Extreme

16.11.2021

Es muss die Sonne sein. Auf der Suche nach dem roten Faden, der Isabelle Bachers Bilderwelt zusammenhält, drängt sich die ewige Lebens- und Lichtspenderin geradezu auf. Fast, als wäre sie in all ihren herrlichen Formen die einzig wahre Göttin, der zu huldigen die Tirolerin ihre Kamera zückt. Mit diesem Kult ist die Fotografin nicht die Erste und auch nicht die Einzige, selbst wenn ihre Bilder stets einzigartig sind. So einzigartig wie die zahllosen Mythen, die sich um die Sonne ranken. Die Mystische wird vielfach fantasievoll verehrt. Isabelle tut das auch. 

Mit ihren Aufnahmen der Polarlichter beispielsweise. Sie sind einer dieser herrlichen Umwege, mit denen die Sonne ihre Kraft zeigt – und die Erde ihren Einfallsreichtum. Auch um diese sagenhaften Tänze in all ihrer Farbenpracht zu fotografieren, hat Isabelle viele Stunden, Tage, Wochen, ja Jahre nördlich des Polarkreises verbracht. Dort, wo Kälte oder Weite ganz anders definiert werden, schlägt ihr Herz und das ist kein Zufall. Geboren und aufgewachsen ist Isabelle in Lienz, doch Norwegen ist die Heimat ihrer Mutter. Das Raumgefühl und das ästhetische Auge hat sie in ihrem Beruf als Architektin geschärft, doch die Fotografie ist es, wofür sie brennt. Nach dem Tod ihrer Mutter zog es Isabelle ins Mutterland. Der Grund dafür kann nicht in Worte gefasst werden. Muss er auch nicht. 

Bei Terra Mater Books ist 2019 Isabelles Buch „Im Norden – eine Reise zum Polarkreis und darüber hinaus“ erschienen. Doch sie fotografiert auch anderes. Im Oktober 2021 wurde die Ausstellung am Innsbrucker Hauptbahnhof eröffnet, in deren großen Rahmen spektakuläre Aufnahmen des Brenner-Basistunnels zu sehen sind. Egal, ob in großen Formaten oder kleineren Bildkonzentrationen analysiert sie und sucht – bis der richtige Winkel, das richtige Licht, der richtige Ausschnitt gefunden wurde. Dann erst drückt sie den Auslöser. Das große künstlerische Spektrum ihrer ewigen Suche erweiterte sie im Juli 2021 um eine weitere faszinierende Nuance. Das heiße Licht des Vulkans Fagradalsfjall auf Island. 


Wenn Vergangenheit Gegenwart wird

So ein Vulkanausbruch ist mehr als ein außergewöhnliches irdisches Spektakel. In den Momenten, in denen das brodelnd heiße Innere der Erde plötzlich an die Erdoberfläche steigt und aus Magma Lava wird, ist die Urgeschichte der Erde so nah wie sonst nie und nirgendwo. Es verwundert nicht wirklich, dass Isabelle wie magisch davon angezogen wird, wenn sich die Vergangenheit der Erde durch einen Vulkanausbruch als Gegenwart zeigt. „Vulkane faszinieren mich schon seit jeher“, erzählt sie. Den Ausbruch des fast zum Zungenbrecher degradierten isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 verpasste Isabelle knapp, besuchte ihn aber im Jahr darauf. Und war fasziniert, selbst wenn die Lava längst in ihren unbeschreiblichen kühlen Formen erstarrt war. Als dann nach 800 Jahren Ruhe im Frühjahr 2021 der Fagradalsfjall begann, Lava zu spucken, musste sie hin. Unbedingt. „Einen Vulkanausbruch live und nah mitzuerleben war ein großer Wunsch“, sagt sie.

Zu einem Vulkanausbruch reist es sich nicht allzu leicht. Wie so oft und eigentlich immer in entscheidenden Momenten ihres Lebens stand Franz Bacher ihr zur Seite. Ihr Papa. „Wir planten die Tour gemeinsam. Papa teilt mit mir die Leidenschaft des Fotografierens und er war es, der die Fotografie zu einem der wichtigsten Teile meines Lebens gemacht hat“, umarmt Isabelle ihren Vater mit Worten. Ausgerüstet mit Gasmasken zum Schutz vor den giftigen Dämpfen und geführt von einem lokalen Guide konnten sie sich dem Vulkan nähern und dem Spot, der sich zum Fotografieren eignete. Asche und Schwefeldämpfe sind nicht nur Gift für menschliche Atemorgane, sondern auch für die empfindliche Technik der Kameras. Doch der Guide kümmerte sich um die Sicherheit der zwei Tiroler, sodass sie sich mit klarem Auge und ruhiger Hand den Bildern widmen konnten, die festgehalten werden wollten. „Anfangs waren nur schwarze, erkaltete, großflächige Lavafelder zu sehen. Plötzlich meinte der Guide, er sehe einen roten Punkt.“ Der rote Punkt war der Beginn einer Fotoserie, die unter die Haut geht. Auch Isabelle selbst. „Als ich den ersten Lavafluss in unsere Richtung fließen sah, war das überwältigend. Dann gingen einige Minuten später unweit von uns Glutfontänen hoch, Aschewolken stiegen auf, Lava quoll aus dem Vulkan und ergoss sich zäh über die Erdoberfläche beziehungsweise die schon erkalteten Lavafelder. Das Spektakel wiederholte sich immer wieder. Es war eine einzigartige Mischung aus Ästhetik und Gewalt.“ Ästhetik und Gewalt. Sie sind es, die sie mit den Aufnahmen verewigt hat. Sie sind es ja auch, die so gut wie jeden Sonnenkult prägen. Und sie beschreiben zwei Fixpunkte für jenen roten Faden, der die Bilderwelt Isabelle Bachers zusammenhält. Die Extreme. www.isabellebacher.com

Text: Alexandra Keller
Foto: Isabelle Bacher, Franz Bacher

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