Nichts ist bekanntlich stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Die Coronaviruspandemie hat uns kollektiv gelehrt, dass Unabhängigkeit und Freiheit besonders hohe Güter sind, deren Wert gar nicht zu hoch eingeschätzt werden kann. An einem kleinen, rechteckigen Stück Unabhängigkeit arbeiten seit einiger Zeit die Südtiroler Jessica Hildmann und Daniel Rigo, die einander auch privat verbunden sind. Neben Tisch, Küche und Bett teilen sich die jungen Leute auch eine große Leidenschaft für das, was man im Englischen „The Great Outdoors“ nennt. Und von freier Natur und sehenswerter Landschaft gibt es in und um Tirol herum wahrlich genug.
Erobert haben sich die beiden Jungunternehmer in spe mit ihrem sich in Gründung befindlichen Start-up Kultivan eben diese Natur immer bevorzugt im Van. Bei ihren Reisen im Kleinbus hat dem Paar aber immer etwas gefehlt. Eine komfortablere Schlafgelegenheit zum einen, zum anderen und noch viel schmerzlicher vermisst haben Hildmann und Rigo aber eine Kochgelegenheit, die auch tatsächlich zum Kochen einlädt und viel mehr ist nur als eine halbherzige Kochverlegenheit. „Wir hatten immer den Traum, beim Reisen möglichst unabhängig zu sein“, erinnert sich Rigo. Das Kochen im Van stellte sich aber als höchst unbefriedigende und frustrierende Erfahrung dar. Um dieses Defizit zu beheben, hat Daniel Rigo, Tüftler mit ausgeprägtem Hang zur Perfektion, ein ausgefeiltes Küchenmodul entwickelt, das sich bequem und einfach in einem Van unterbringen lässt. Derzeit ist das als kultiKüche bezeichnete Modul ebenso wie das Bettsystem kultiBett kompatibel mit den Modellen VW Multivan, Caravelle, Beach T5 / T6, dem Ford Tourneo Custom sowie Modellen der V-Klasse von Mercedes. Die Modellpalette lässt sich aber zukünftig relativ unkompliziert erweitern, bleibt doch das Herzstück der Campingbox immer ein und dasselbe.
Die Kultivan Campingbox besteht aus drei Modulen – Küche, ausziehbare Heckschublade und ausziehbares Bettsystem – und lässt sich binnen weniger Minuten unkompliziert ins Auto ein- und wieder ausbauen. Die ausziehbare Heckküche bietet überraschend viel Platz zum Kochen und hohen Nutzungskomfort. „Wir kochen mittlerweile sogar lieber am und um das Auto als zu Hause“, sagt das Kultivan-Mastermind, das den Prototyp des Küchenmoduls im heimischen Schlafzimmer gebaut hat. Mittlerweile ist der Planungs- und Herstellungsprozess professionalisiert, die Suche nach einem passenden Partner für die Produktion der Module gestaltete sich nicht zuletzt aufgrund der hohen Auslastung der Tischlereien in Südtirol als durchaus herausfordernd. „Wir haben bisher vier Prototypen gebaut und dabei die Küche immer weiterentwickelt. Jetzt sind wir grundsätzlich so weit, dass wir in die Serienfertigung gehen können“, sagt Jessica Hildmann, die derzeit als Projektmanagerin arbeitet und sich mit ihrer umfassenden Berufserfahrung im Onlinehandel, im Marketing, in der Buchhaltung und im Tourismus sowie im Gesundheitsbereich – unter anderem als Yogalehrerin – vor allem darum kümmert, dass Struktur in die Unternehmung kommt, anstehende Probleme gelöst werden und der Blick auf das große Ganze nicht verloren geht. Mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen ergänzen die Kultivan-Protagonisten einander sehr gut. „Wir sind noch ein kleiner Fisch und gerade für größere Tischlereien deshalb wohl noch uninteressant“, vermutet Rigo, der die gesamte Produktion gerne an einen geeigneten Partnerbetrieb, der über entsprechende CNC-Maschinen verfügt, auslagern würde.
Kultiviert und kultig kochen
„Wir werden uns vorerst auf unser Küchen- und Bettsystem konzentrieren, haben aber noch viele andere Ideen“, sagt Hildmann. Eine davon ist, ein für die Outdoorküche maßgeschneidertes Kochbuch zu machen. Darin sollen, geht es nach den Kultivan-Machern, vor allem Rezepte zu finden sein, „die mit wenigen, guten und regionalen Zutaten auskommen und dabei schmackhaft, originell und gesund sind“, verrät Jessica Hildmann. Daniel Rigo tüftelt nicht nur am modularen Kultivan-Komplettsystem herum, sondern betätigt sich kulinarisch auch gerne und mit großem Tatendrang in der Küche bzw. am Herd.
Bei der kultiKüche ist besagter Herd ein Gaskochfeld mit zwei Flammen und 4,75 KW Gesamtleistung. Die Arbeitsfläche ist beachtliche 2,6 Meter breit, die Seitenelemente sind höhenverstellbar. Damit nach dem Kochen auch wieder klar Van gemacht werden kann, ist im Modul eine Edelstahlspüle mit hitzebeständiger Glasabdeckung und klappbarem Wasserhahn verbaut. Das ist gleichermaßen technisch gefinkelt wie ästhetisch geschmackvoll gelöst und zeugt von Sachverstand und Liebe zum Detail.
Nach einem erfüllenden Outdoor-Tag ist erholsamer Schlaf gefragt. Dafür soll das ausziehbare Bettsystem sorgen, das sich mit 150 x 185 Zentimetern für Matratzen bis 190 Zentimeter Länge eignet. „Wir möchten mit unserer modularen Campingbox das Camping ein Stück weit revolutionieren und unsere Kunden dazu bringen, bewusster und abwechslungsreicher zu kochen und sich mehr Zeit dafür zu nehmen “, sagt Rigo, der im Brotberuf freiberuflicher Ingenieur ist und während seines Studiums einmal ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hat, Koch zu werden. Nach einem Nebenjob bei einem Caterer hat er diesen Plan allerdings wieder verworfen und blieb lieber leidenschaftlicher Hobbykoch.
Das Kultivan-Angebot ist nicht nur darauf getrimmt, das Campingleben im Van bedeutend zu vereinfachen, sondern sich dabei auch noch besser – qualitativ wie kulinarisch – zu ernähren. Nebst der notwendigen Hardware will man auch einen neuen Zugang zum Camping im Van, ein Update sowohl kulinarisch als auch im Hinblick auf Convenience, etablieren. „Camping mit Zelt und Gaskocher ist vielen Menschen vielleicht doch zu spartanisch. Wir können einen gewissen Luxus bieten, ohne das Erlebnis Camping grundlegend zu verwässern“, formuliert Hildmann den Anspruch. Kultiviert kochen lässt es sich mit dem Küchenmodul von Kultivan übrigens nicht nur auf Reisen, sondern auch im heimatlichen Garten oder auf der Terrasse, ist das Modul doch auch gut als autonome Standalone-Outdoor-Küche einsetzbar. So kann man auch zu Hause das besondere Erlebnis des Kochens unter freiem Himmel genießen. Je mehr und flexibler das Küchenmodul sich im Alltag einsetzen lässt, desto leichter dürfte die Investitionsentscheidung fallen.
Es ist angerichtet
Apropos Investition: Der Onlineshop für die Kultivan-Produkte steht in den Startlöchern, im Grunde wäre alles angerichtet für ein sommerliches Feuerwerk. Wäre, weil das Start-up noch keine geeignete Rechtsform hat und daher unternehmensrechtlich noch nicht existiert. Daniel Rigos freiberufliche Ingenieurstätigkeit verkompliziert diesen überfälligen Schritt, könnte er doch nach italienischem Recht als Freiberufler nicht gleichzeitig Geschäftsführer eines Unternehmens sein. Derzeit fahnden die beiden Gründer in spe mit Hochdruck nach einer geeigneten Variante. Zeit ist Geld, Eile ist geboten, wenn man für die herannahende warme Jahreszeit noch Outdoor-Fans als Kunden gewinnen möchte. Eine Möglichkeit könnte sein, das Unternehmen in Tirol zu gründen. „Dort sind derzeit auch das Start-up-Ökosystem und die damit verbundenen Netzwerke wesentlich besser als in Südtirol“, weiß Jessica Hildmann. So konnten Hildmann und Rigo mit Kultivan beim 120-Sekunden-Ideencasting im vergangenen November in Innsbruck reüssieren und haben es aus einem Teilnehmerfeld von 42 ins Finale der besten sechs geschafft. Auf einen Investor setzt das Kultivan-Team aber nicht, vielmehr möchte man es aus eigener Kraft schaffen. Das Feedback sowohl on- wie offline ist bereits vor dem offiziellen Marktstart der Kultivan Campingbox gut. Eine voll ausgestattete Campingbox dürfte vermutlich für den Endkunden mit rund 7.000 Euro zu Buche schlagen, allerdings werden die Module auch einzeln zu erwerben sein. „Wir legen sehr viel Wert auf Ästhetik und Qualität. Alle Holzverbindungen sind wie bei einem hochwertigen Möbelstück für Zuhause auf Gehrung verarbeitet, es gibt keine Stoßfugen. In der Nutzung offenbaren sich viele kleine Details, die man erst auf den zweiten Blick sieht, die aber den Gesamteindruck prägen“, erklärt Daniel Rigo.
Mit Kultivan sehen sich die Neo-Unternehmer auch als Problemlöser, die dazu beitragen wollen, die kleineren und größeren Probleme beim Camping im Van zu lösen. „Wir werden auch Vorratsdosen klug in unsere Module integrieren, damit man nicht unnötig viele Lebensmittel und Gewürze mitführen muss, sondern nur so viel, wie man tatsächlich braucht. Das spart Platz und man kann sich auf das Wesentliche, auf den Genuss, konzentrieren“, sagt Jessica Hildmann. Schon bald wird man ihn hoffentlich in Serie schmecken können, den süßen Geschmack der Freiheit. Angenehmer war Camping im Van wohl noch nie.
Text: Marian Kröll