Plötzlich sind sie alle da. Und es ist eine ziemlich reizvolle Mixtur. Ernest Hemingway, Marlon Brando, Josefine Baker, Nat King Cole, Edith Plaf, das leichte Wippen in der Hüfte und die Lust auf einen Cocktail. Wer die Geschichte der Familie Valdés hört, wird ganz unweigerlich von einer Sehnsucht nach Kuba überrascht und zu einer Zeitreise inspiriert. „Bebo Valdés war zu Zeiten der kubanischen Revolution Orchestermeister im Tropicana, dem legendären Club in Havanna“, erzählt Christian Steinmayr. In diesem Club waren allerlei Berühmtheiten zu Gast gewesen und haben ein Lebensgefühl genossen, das umrahmt von unvergleichlicher Musik und tropischer Luft so untrennbar mit Kuba verbunden ist wie die Cohiba-Zigarre oder der Mojito.
Aus der Zeit, in der das Tropicana auf den karibischen Inselstaat und vor allem in die Hauptstadt Havanna lockte, stammen auch die vielen amerikanischen Oldtimer, die damals nagelneu waren. Es war eine ziemlich dekadente Epoche mit Korruptionen und Zuckerrohr-Baronen auf der einen und den Widerstand gegen das Regime nährender Ungerechtigkeit auf der anderen Seite. Dass die Oldtimer heute noch in recht großer Zahl auf Kuba zu finden und sogar zu fahren sind, liegt daran, dass nach der Revolution des Jahres 1959 keine Autos mehr importiert werden durften und die Kubaner wahre Wunderwerke der nachhaltigen Automechanik vollbrachten. Den Revolutionären unter Fidel Castro war die Ausgelassenheit im Tropicana rasch ebenso zu bunt geworden. Und viel zu amerikanisch. Der Club wurde entschädigungslos verstaatlicht und 1960 verließ Bebo Valdés die Insel. Erst nach Ende der Castro-Herrschaft wollte er zurückkehren, da er – wie er sagte – „Diktaturen nicht ausstehen“ könne.
Im Takt
Der kubanische Takt der Extreme blieb aufrecht. Bebo Valdés starb 2013 in Stockholm. Er kehrte nie zurück in seine Heimat, produzierte aber zahlreiche international gefeierte Alben zusammen mit anderen kubanischen Musikern – wie seinem Sohn Cucho Valdés, den er 1978 zum ersten Mal nach seiner Flucht in New York wiedergesehen hatte.
Dem ersten Wiedersehen folgten viele, Vater und Sohn veröffentlichten 2008 zusammen das Album Juntos para siempre (Für immer gemeinsam), das 2009 mit dem Latin Grammy ausgezeichnet wurde. Cucho Valdés wird als „kubanischer Mozart des Jazz“ bezeichnet. „Er hat gerade erst wieder einen Grammy gewonnen“, weiß Christian Steinmayr über den jüngsten Award-Reigen zu berichten und erzählt nicht ohne Stolz: „Cucurucho Valdés ist der Enkel von Bebo und der Neffe von Chucho Valdés. Er ist im Alter von neun Jahren in die Fußstapfen seines Onkels und Großvaters getreten, wurde schon dreimal für den Grammy nominiert und spielt am 10. Juni 2022 beim Benefizkonzert des Rotary Clubs Innsbruck Alpin im Haus der Musik in Innsbruck."
Christian Steinmayr, Geschäftsführer der Steinmayr & Co Insurance Brokers GmbH, ist aktuell Präsident des RC Innsbruck Alpin. Seine Begeisterung über das Konzert des kubanischen Ausnahmepianisten, dessen Europatournee ihn im Juni zum ersten Mal in großer Besetzung nach Österreich führt, hat zahlreiche Gründe. Sentimentale Gründe, ziemlich liebevolle, schöne und auch bittere. „Für mich war Kuba schon immer ein Sehnsuchtsland. Ich kann mich beispielsweise erinnern, dass mein Vater, der ja ein erfolgreicher Sportler war, einen Hut mit Anstecknadeln der Orte hatte, wo er bei Radrennen mitgefahren ist. Die kubanische Anstecknadel war meine Lieblingsanstecknadel “, erinnert sich Steinmayr an seine Kindheit. Der nächste Kuba-Trigger kam ein wenig später, in einem Alter jedenfalls, in dem er schon Alkohol genießen konnte. „Mein Onkel hatte die Diana-Bar in Hall und bei ihm habe ich immer Havanna Moon getrunken, das war mein Lieblingscocktail“, sagt Steinmayr und hält fest: „Da hat sich etwas eingebrannt und bei mir eine Vorstellung von Kuba und Havanna geweckt, die recht romantisch ist.“
Kuba-Geschichten
So richtig romantisch wurde seine Kuba-Geschichte, nachdem er den karibischen Inselstaat zum ersten Mal besucht und bald nicht nur die Liebe zu Kuba, sondern auch die Liebe seines Lebens gefunden hatte. „Ja, ich habe da gleich meine Frau und dann auch die Insel ganz gut kennen gelernt“, muss Christian Steinmayr beim Gedanken an seine Familie oder die Erinnerung daran, mit in Kübeln gewärmtem Wasser geduscht zu haben, schmunzeln: „Beim ersten Mal ist es schräg, doch ich hatte mich bald daran gewöhnt.“ Einfachheit muss nicht gleich Armut heißen, doch in den letzten Jahren kippten alle Verhältnisse zum Nachteil der Bewohner. „Derzeit ist die wirtschaftliche Situation auf Kuba so schlecht wie nie zuvor, sie ist noch schlechter als in den 1990er-Jahren. Das wird international nicht so wahrgenommen, weil es so viele andere Themen gibt. Doch Kuba ist wirklich am Rande des totalen Zusammenbruchs“, sagt Steinmayr.
Die Situation, die sich in einer von unabhängigen Ökonomen auf 300 bis 500 Prozentgeschätzten Inflation beziffern lässt – selbst die kubanische Regierung sprach zuletzt von 70 Prozent – ist so lebensbedrohlich wie bizarr. „Da können Reiche in einem Lokal Hummer essen und um die Ecke stehen die Leute vier Stunden lang Schlange für ein bisschen Brot und schlagen sich die Köpfe ein, wenn sich jemand vordrängt“, skizziert Steinmayr die aktuellen kubanischen Realitäten mit einem Bild, das jeglicher Sozialromantik im Zusammenhang mit dem kommunistisch regierten Land, das Politikwissenschaftler lieber als bürokratisch-autoritären Staat ohne Gewaltenteilung bezeichnen, die Basis raubt. Zwischen Hummer und nichts auf dem Teller kann sehr rasch Zündstoff für soziale Unruhen entstehen. Diese Geschichte hat Kuba ja schon einmal geschrieben.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Wegfall der bis dato wichtigsten Handelspartner sind die Spannungsfelder extrem geworden. Das Ende der Ära Fidel Castros, der 2008 zurückgetreten und 2016 gestorben ist, markierte die nächste Krise, die Verschärfungen der Embargo bestimmungen unter Donald Trump eine weitere. Die Covid-Pandemie ließ mit dem Tourismus schließlich eine der wichtigsten Einnahmequellen zusammenbrechen und im Juli 2021 gipfelte der Unmut der Kubaner*innen erstmals in landesweiten Protesten. „Es gibt keine Medikamente, kein Essen, keine Möglichkeiten und keine Hoffnung, dass es besser wird“, bestätigt die Tirol-Kubanerin Gina Duenas die unheimliche Lage der Menschen auf Kuba. Und sie ergänzt: „Meine Schwester hat mir erzählt, dass es nicht einmal in den Hotels etwas zu essen oder zu trinken gibt. Es ist ganz schlimm. Es ist verrückt."
Gina Duenas ist die vielleicht bezauberndste Kubanerin in Tirol und mit Sicherheit eine der mitreißendsten kubanischen Sängerinnen in den Alpen. Auch sie wird mit ihrer Band am Abend des 10. Juni 2022 auftreten und vielleicht sogar zusammen mit Cucurucho Valdés singen: „Das wäre genial, das ist mein Traum.“ Der Traum steht jedenfalls unter guten Sternen. Nicht nur, weil die Gäste dabei in den Genuss der Virtuosität weltberühmter kubanischer Musiker kommen werden, sondern weil der Erlös aus den Eintrittskarten und den Spenden ganz direkt den Ärmsten der Armen auf Kuba zugutekommt. „Kuba ist so weit weg in der Wahrnehmung, dass das Leid übersehen wird. Internationale Hilfsorganisationen oder NGOs sind in Kuba nicht zugelassen oder unter staatlicher Kontrolle und nur mit privatorganisierten Initiativen ist es möglich, zu helfen“, sagt Steinmayr, der Ende April 2022 nach Kuba geflogen ist, um seine privaten Kontakte zu nutzen und in Zusammenarbeit mit der österreichischen Botschaft in Havanna ein Projekt im Namen des Rotary Clubs Innsbruck Alpin auszuwählen. „Wir wollen,dass das Geld dort ankommt, wo es am meisten bewirkt“, sagte er kurz vor Antritt seiner Reise. Mit 50 Euro kann ein Mensch auf Kuba einen Monat lang um die Runden kommen. Diese Relationen befeuern die weitreichenden Dimensionen des Benefizkonzerts. Es verspricht buenas vistas – für alle.
BENEFITKONZERT
Am 10. Juni 2022 tritt Cucuruchu Valdés im Zuge eines Benefizkonzertes des Rotary Clubs Innsbruck Alpin im Haus der Musik in Innsbruck auf. Tickets sind ab Mai über das Haus der Musik erhältlich.