Es ist schon ein besonderes Fleckerl Erde, an dem Alfons Neuner seinem handwerklichen Geschick und künstlerischen Schaffen nachgeht. Als einer der Letzten seiner Zunft hat er als Schmied seine Erfüllung gefunden und mit Hammer, Amboss und Zange die Werkzeuge für sein erfülltes Leben gefunden. „I huns immer gern getun“, erzählt Alfons in tiefstem Tirolerisch und führt uns in seine Schmiedekammer. Ziemlich dunkel mutet es auf den ersten Blick an, das Feuer lodert in der Esse und der Lufthammer schlägt mit ordentlicher Lautstärke auf das glühende Eisen. Hier wird man ein weiteres Mal in eine andere Welt versetzt. Eine Welt, die einen eindrucksvoll eintauchen lässt in das Handwerk des Schmiedens in seiner ursprünglichsten Form. „Es isch ein bäriges Material“, verkündet Alfons Neuner, während er abwechselnd die heißen Eisen aus dem Ofen holt und mit kräftigen Schlägen bearbeitet, dass nur so die Funken fliegen. Ja, es ist finster in der Schmiedekammer, damit der Schmied auch an der Farbe des glühenden Eisens erkennen kann, wie hoch die Temperatur des Materials ist.
Das Material ist in den meisten Fällen Eisen oder Stahl, das in der sogenannten Esse so hoch erhitzt wird, sodass man es mit den Werkzeugen bearbeiten kann. Genauer gesagt nimmt der erfahrene Schmied das glühende Stück Eisen mit einer Zange aus dem Ofen und legt es auf den Amboss, auf dem es mit dem Hammer so lange geschlagen wird, bis es die richtige Form hat. Dabei kommen entweder händische Hammer zum Einsatz oder der sogenannte Lufthammer, eine stationäre Hammermaschine, deren Schläge mit dem Pedal gesteuert werden können. Manchmal braucht es dazu mehrere Vorgänge und so hat der erfahrene Schmied gleich mehrere Stück Eisen im Feuer, die er abwechselnd bearbeitet und wieder zurück in den Schmiedeofen legt. Ist der Meister mit seinen Werken zufrieden, dürfen diese auskühlen und aushärten.
Eine unglaubliche Fülle an verschiedenen Zangen und Hämmern hängt an den Wänden der dunklen Schmiedekammer. „Die Zangen sind der verlängerte Arm vom Schmied“, verrät Alfons. Die meisten davon hat er selbst gemacht. Während unseres Besuches arbeitet Alfons gerade an Lampenschirmen. Seine Designs sind beliebt und tragen seine eigene Handschrift. „Mit Schnecken macht man heute keinen Riss mehr“, schmunzelt er und so hat der rüstige Mittsiebziger seinen ganz eigenen Stil entwickelt und stattet moderne, schlichte Häuser ebenso mit seinen Handanfertigungen aus wie traditionelle.
Obwohl er mit seinen 75 Jahren auf ein spannendes Leben zurückblicken kann, ist für Alfons noch lange keine Rede vom Ruhestand. „So bleibt man in Schuss“, meint der leidenschaftliche Schmied und Künstler, der sein Gewerbe nach wie vor angemeldet hat. Seine Arbeiten haben es in die unterschiedlichsten Häuser geschafft. „Das Design macht es aus, man muss sich mit seinen Entwürfen immer auch an den Bestand anpassen“, ist Alfons überzeugt. Aber egal, wer bei Alfons als Kunde an die Tür klopft, „behandeln tu ich immer alle gleich“.
Stolz ist er unter anderem auf seine Straßenlampen im Ort, die er vor 30 Jahren geschmiedet hat und die heute noch das Ortsbild von Mösern zieren. „Jede ist von der Gestaltung her ein wenig anders“, erzählt er, „verzinktes Eisen hat halt eine lange Lebensdauer.“ Eine lange Lebensdauer hat auch das Gemäuer, in dem Alfons seine Schmiede angesiedelt hat. „Das Haus wurde 1307 von Stamsern erbaut und 1668 neu aufgezimmert“, weiß der Schmied um das geschichtsträchtige Haus. „Früher war auch einmal die Volksschule in dem Haus angesiedelt, deshalb sind hier andere Fenster eingebaut und in dem Raum, wo heute meine Esse steht, war ursprünglich eine Küche.“
Man kann die Geschichte in den altehrwürdigen Gemäuern förmlich spüren, so als würden sie tausende Geschichten erzählen wollen. Auch wenn die Mauern selbst nicht sprechen können, so hat Alfons einige Anekdoten aus seinem Leben auf Lager. Das beginnt in seiner Kindheit, die er auf dem benachbarten Spacklerhof verbrachte und wo er mit seinen sechs Geschwistern aufwuchs. Als ihm vor allem die Sprachen am Gymnasium in Stams das Leben schwer machten, entschied sich der Jugendliche für eine Lehre als Schmied bei seinem Lehrherrn Toni Hiltpolt in Seefeld. „Zuerst wollte er mich nicht nehmen und dann wollte er, dass ich seine Bude übernehme“, erinnert sich Alfons heute lachend. Seine eigene Schmiede gründete er bereits in jungen Jahren kurz nach seiner Meisterprüfung.
Sein Gespür für das Material und seine künstlerische Kreativität hat sich seit jeher in seinen Arbeiten und Werken widergespiegelt. Neben den herkömmlichen Schmiedearbeiten wie Lampen, Grabkreuzen oder Toren liegt Alfons’ eigentliche Leidenschaft in der Schaffung von Skulpturen. „Kunst isch eigentlich mei Ding“, verrät er und zeigt uns eine kleine Auswahl selbst gefertigter Skulpturen, die er im ehemaligen Klassenzimmer aufbewahrt. „Früher machte ich einmal im Jahr eine Ausstellung mit 15 bis 20 Skulpturen“, sagt er, während wir die größeren und kleineren Kunstwerke bestaunen. Zu seinen Werken zählt auch die zwölf Meter große Skulptur am Landecker Tunnel oder die Restauration des Rosengitters am Meinhardinum in Stams. Dieses künstlerische Geschick überträgt er auch auf seine Designs von Lampen oder Gattern. Und so sind es sein ganz eigener Stil und sein Gefühl für Proportionen, die seine Arbeiten so gefragt machen.
Auch privat ist Alfons ein kunstaffiner Mensch und besucht in seiner raren Freizeit gerne Museen oder Galerien: „Für eine gute Ausstellung reise ich gerne nach Wien oder auch nach Spanien“, gesteht der rüstige Schmied. Und schon geht’s wieder an sein Schmiedefeuer, immerhin müssen noch einige Stangen Eisen zu Original-Alfons-Neuner-Lampen geschmiedet werden. Die Freude an der Arbeit scheint Alfons jedenfalls noch lange nicht auszugehen und das Feuer der Leidenschaft für seine ehernen Kunstwerke hoffentlich auch nicht.
Text: Doris Helweg
Fotos: Andreas Friedle
Aus: zeit.los Winter 2022