Der sperrige Begriff der Infrastrukturen suggeriert, dass man die Beschäftigung damit wohl lieber den Experten überlassen soll. Indessen befreien uns Einrichtungen der Kommunikation, des Verkehrs, der Ver- und Entsorgung wie selbstverständlich davor, uns damit auseinandersetzen zu müssen, wo Wasser und Strom herkommen, wie wir uns von A nach B bewegen und wie wir uns mittels Informationen ein Bild und einen Begriff von unserer Welt machen. Erst wenn diese Infrastrukturen nicht mehr funktionieren, erahnen wir, dass die Leistungen, die sie bereitstellen, womöglich nicht so selbstverständlich sein könnten, wie sie uns erscheinen.
Historisch betrachtet trug gemeinsame Infrastruktur auch zur Nationswerdung bei. „Mit Telegrafendrähten und Stromkabeln wurden regionale Flickenteppiche gleichsam zu Nationen verkabelt“, schreibt Historiker Dirk van Laak. Investitionen in Breitbandinfrastruktur leisten dagegen heute auch einen Beitrag zur Globalisierung. Infrastruktur ist also nicht nur die Vorbedingung der modernen Gesellschaft, sondern auch deren Triebfeder hin zu einer immer engeren Integration, einer gewaltigen Organisation, in der alles und jedes miteinander verflochten ist.
In Tirol hält man es, was den Ausbau der digitalen Autobahnen in Form von Glasfasernetzwerken betrifft, ebenso wie einst mit den echten Autobahnen mit der Parole „Verkehr ist Leben!“ Der Datenverkehr wird solcherart zum Hoffnungsträger für ganze Talschaften, die von Abwanderung bedroht sind oder wo mehr oder weniger tourismuswirtschaftliche Monokultur herrscht. Dementsprechend hat das Land Tirol seinen Breitband-Masterplan 2013–2018 bis ins Jahr 2023 fortgeschrieben. „Die Versorgung von Wirtschaft und Bevölkerung mit zukunftsfähigen Breitbandnetzen und -diensten bleibt ein prioritäres Vorhaben für die zukünftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Landes“, heißt es darin.
Angestrebt wird ferner die Integration von 5G, der fünften Mobilfunkgeneration. „5G ist nicht nur erweitertes und verbessertes Breitband, sondern soll auch die Grundlage von Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M) und Industrieautomatisierung sein. 5G kann Grundlage für Wirtschaftsleistung in vielen Bereichen sein und eine Universaltechnologie werden“, steht im Masterplan geschrieben. Feste und mobile Breitbandversorgung werden einander ergänzen, die gemeinsame Basis ist die Glasfaser, mit der übrigens auch die Sendemasten für die fünfte Mobilfunkgeneration angebunden sind. Als Vision hinter der Infrastruktur fungiert die Gigabitgesellschaft, die – geht es nach der Politik – schon möglichst bald in Tirol entstehen soll. Das ist ein Begriff zur Beschreibung einer hochvernetzten Gesellschaft, die von Informations- und Kommunikationstechnik durchdrungen ist, wodurch gesellschaftlicher Fortschritt ermöglicht wird und positive gesamtwirtschaftliche Effekte zu erwarten sind. Das Land hat sich mit dem Glasfaserausbau also ein klares Infrastrukturziel gesetzt, dessen Erreichung in letzter Konsequenz gesellschaftlichen Wandel ermöglichen soll.
Unsere Infrastruktur ist in einem guten Zustand, weil ständig – merklich und unmerklich – an ihr gearbeitet und in sie investiert wird. Die zunehmende Vernetzung indes birgt Risikopotenzial, wie van Laak ausführt: „Experten, die die gegenwärtige Entwicklung gefährdeter Infrastrukturen beobachten, sind jedenfalls alarmiert. Sie halten das ständig höher werdende Niveau von sich selbst verstärkenden und überlagernden Vernetzungen für eines der größten Risiken der Gegenwart wie der Zukunft. Das gilt vor allem für die Smart grids, also die digitale und vermeintlich ‚intelligente‘ Kontrolle der Erzeugung und des Verbrauchs in Stromnetzen. Damit werden die potenziellen Folgen eines Stromausfalls noch einmal verstärkt, weil möglicherweise auch die Wasserversorgung und die Kommunikation daranhängen.“ Eine zusätzliche Gefahr entstehe, so van Laak, unter anderem daraus, dass weder die Individuen noch die Strukturen Schritt für Schritt und bewusst auf frühere technische Niveaus zurückgehen können. Es gibt nur den Fortschritt. Dort, wo viel Infrastruktur besteht, kann es problematisch werden, wenn noch mehr davon gebaut werden soll.
Unterm Strich ist Infrastruktur in mehrerlei Hinsicht ein Standortfaktor. Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Menschen, die mobil sind. Infrastrukturen strukturieren die Gesellschaft und formen Individuen. Ohne sie ist unser Leben und Wirtschaften nicht einmal ansatzweise denkbar. Sie treten in den Hintergrund, wenn sie anstandslos funktionieren. Damit das weiterhin der Fall ist, müssen sie gewartet, um- und ausgebaut werden. Dabei gilt es, im Blick zu behalten, dass man die (erste) Natur nicht so einfach der zweiten Natur in Gestalt der Infrastruktur dienstbar machen kann, ohne die Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Es geht um das richtige Gleichgewicht.
Text: Marian Kröll